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Russischer Ölkonzern hinterlegt Kaution in USA

Staatsunternehmen Rosneft, das Jukos vom Oligarchen Chodorkowski übernahm, ist auch in Moskau von einem Rechtsstreit bedroht

Von Irina Wolkowa, Moskau *

Die Übernahme des Ölkonzerns Jukos von Kremlkritiker Chodorkowski brachte Rosneft nicht nur Glück. Vor Gerichten in New York und Moskau muss es sich Millionenforderungen erwehren.

Der Kavalier genießt und schweigt, der Missetäter schweigt und zahlt. So jedenfalls lassen sich die Auslassungen eines Rosneft-Managers zur jüngsten Wendung im Rechtsstreit des staatlichen russischen Ölförderers gegenüber der Online-Zeitung Gaseta.ru zusammenfassen. Denn am Dienstag hatte das Stadtgericht in New York die Rosneft-Tochter Samaraneftegas vor die Wahl gestellt, alle Zahlungen an Aktionäre einzustellen oder eine Kaution von 18 Millionen US-Dollar zu hinterlegen. Diese Summe entspricht genau dem Wert jenes Darlehens, das Jukos – der Ölgigant, der damals dem Oligarchen Michail Chodorkowski gehörte – im Jahre 2004 dem Konzern Samaraneftegas gewährte. Dabei handle es sich um eine »relativ unbedeutende Summe«, sagte der der Rosneft-Mann gegenüber Gaseta.ru. Sein Konzern könnte daher zahlen, um sich Streitigkeiten vor Gericht und damit Aufsehen zu ersparen.

Jukos war wegen Steuernachforderungen in Höhe von 17 Milliarden US-Dollar, zu denen das Gericht Chodorkowski 2005 verurteilte, pleite gegangen. Rosneft hatte Filetstücke der Konkursmasse ein Jahr später bei einer skandalumtosten Auktion über Strohmänner und weit unter dem realen Marktwert ersteigert. 2007 hatte es sich geweigert, das Darlehen für die Konzerntochter Samaraneftegas zurückzuzahlen.

Der ehemalige Jukos-Vorstand Leonid Newslin, der in Chodorkowskis Auftrag dessen Vermögenswerte im Ausland treuhänderisch verwaltet, hatte gleich nach der Verhaftung des Oligarchen 2003 die in Luxemburg registrierte Holding Yukos Capital gegründet. Diese klagte beim Schiedsgericht der Internationalen Handelskammer in Paris. Dort wurden die Rückzahlungsforderungen für rechtmäßig erklärt. Rosneft indes kniff und berief sich auf eine Entscheidung des russischen Wirtschaftsgerichts, das den Darlehensvertrag für nichtig erklärt hatte.

Newslin bemühte daraufhin die US-Justiz. Ein Gericht gab ihm in erster Instanz im Oktober 2013 Recht. Rosneft legte allerdings Berufung ein. Jedoch scheiterte der Staatskonzern damit am Dienstag in der zweiten Instanz.

Neues Ungemach – diesmal zu Hause – droht Rosneft womöglich schon Ende kommender Woche. Dann will das Präsidium des Obersten Gerichts die Rechtmäßigkeit der Urteile prüfen, die gegen Chodorkowski 2005 und 2010 ergangen waren. Es ging dabei um Steuerhinterziehung, Betrug und Geldwäsche. Regimekritiker im In- und Ausland vermuteten politische Motive. Chodorkowski hatte die Opposition unterstützt und Geschäftsinteressen von Präsident Wladimir Putins Freunden gestört.

Würden die Urteile kassiert, was nicht ausgeschlossen sein muss, stiegen auch die Chancen von Entschädigungsklagen ausländischer Jukos-Aktionäre bei internationalen Arbitragen. Rosneft würde dann um einen zweistelligen Milliardenbetrag ärmer – und ginge womöglich pleite, sollte auch Chodorkowski selbst auf Rückgabe klagen.

Doch das hat der frühere Oligarch offenbar nicht vor. Bei Konsultationen mit Chodorkowski in Israel zum weiteren Vorgehen, sagte Treuhänder Newslin dem Moskauer TV-Sender Doschd, sei man zu keinem einvernehmlichen Ergebnis gekommen. Leonid Newslin kündigte aber an, er werde seinen Rechtsstreit mit Russland »unabhängig von der Haltung Chodorkowskis« fortsetzen.

* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 16. Januar 2014


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