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Putin lässt Russlands Börsen boomen

Expräsident zum Regierungschef gewählt / Verheißungen auf eine hehre Zukunft

Von Irina Wolkowa, Moskau *

Am Donnerstag, so erklärten gleich mehrere Abgeordnete aller Fraktionen der russischen Duma, habe die eigentliche Geburtsstunde des neuen Russlands geschlagen.

Kurz zuvor hatte Wladimir Putin, den Präsident Dmitri Medwedjew am Mittwoch gleich nach seiner Vereidigung zum Regierungschef ernannt hatte, im Plenum der Duma sein Regierungsprogramm vorgestellt und dabei mehrfach lang anhaltenden Szenenapplaus kassiert. Das Ergebnis der Abstimmung -- der Premier muss von der Duma im Amt bestätigt werden -- stand ohnehin fest, noch bevor die Volksvertreter auf ihrer Sondersitzung gegen 14 Uhr Ortszeit die Knöpfe für die elektronische Abstimmung drückten. Er bekam 392 von 448 möglichen Stimmen. Gegen ihn votierten lediglich die 56 kommunistischen Abgeordneten. KP-Chef Gennadi Sjuganow hatte Putin schon bei dessen Konsultationen mit den Führern der vier Duma-Fraktionen am Vortag die Unterstützung verweigert.

Putins achtjährige Amtszeit als Präsident sei der Wendepunkt für die Entwicklung des postkommunistischen Russlands gewesen, sagte Medwedjew, als er seine Entscheidung für den Ex-Kremlchef begründete. Eine detaillierte Vorstellung des Kandidaten könne er sich daher ersparen. Putin dankte höflich und zog dann ungeduldig das eigene Redemanuskript aus der Tasche. In Teilen war es der Öffentlichkeit bereits bekannt. Denn Putin hatte schon im Februar auf der Tagung des Staatsrates -- einem beratenden Gremium, dem die Verwaltungschefs der Regionen angehören -- Grundzüge für die Entwicklung Russlands vorgestellt. In der Duma legte er indes erstmalig konkrete Termine für die einzelnen Maßnahmen vor und die verraten, dass er ein mörderisches Tempo an den Tag legen wird.

Russland müsse in den nächsten 10 bis 15 Jahren bei Bildung, Gesundheitswesen, Einkommen, Wohnungsbau und Innovation in die Weltspitze vorstoßen. Dringendste Maßnahme sei ein Nationales Programm zur Bekämpfung der Armut, das bereits 2010 sichtbare Ergebnisse zeigen soll, Dazu sollen die Mindestlöhne noch in diesem Jahr auf 4300 Rubel -- umgerechnet etwa 120 Euro -- angehoben werden. Ebendiese Summe ist momentan gleichbedeutend mit dem Existenzminimum. Löhne im staatlichen Sektor und Renten sollen zudem laufend so aufgefüllt werden, dass sie der Inflation stets um einige Prozentpunkte voraus sind. Diese deutlich unter zehn Prozent zu drücken, gehört für Putin ebenfalls zu den absoluten Prioritäten.

Gleichzeitig kündigte er weitere Maßnahmen zur Liberalisierung der Wirtschaft und zur Verbesserung des Investitionsklimas an, vor allem neue steuerliche Erleichterungen. Auch für die Energiebranche, deren Unternehmen momentan über 80 Prozent ihrer Erlöse an den Staat abführen müssen. Dafür forderte Putin vom Großkapital deutlich mehr soziales Engagement und Investitionen in die teilweise noch aus der Sowjetära stammenden maroden Grundfonds. Das gelte sowohl für die Öl- und Gasförderung, die schwierige oder wenig ergiebige Felder bisher nicht angezapft hat, als auch für die verarbeitende Industrie und intelligenzintensive Branchen.

Außerdem forderte Putin massive Investitionen in die Infrastruktur. Die geplanten Objekte -- einige davon, wie ein Kanal, der das Schwarze und das Kaspische Meer verbinden soll, haben wahrhaft olympische Dimensionen -- würden nicht nur ausländischen Investoren eine überdurchschnittliche Rendite bringen. Sie seien auch als Volksaktien für die einheimische Bevölkerung attraktiv.

Die hiesigen Börsen, die schon am Vortag auf Medwedjews Ernennung mit einem Allzeithoch reagierten, setzten daher am Donnerstag ihren Höhenflug fort. Russland, meinte Putin, verfüge noch über beträchtliche Reserven und könne die Krise auf den Weltmärkten abfangen.

Laut Verfassung muss der Premier eine Woche nach seiner Bestätigung dem Präsidenten die Kabinettsliste zur Billigung vorlegen. Diese, erklärte Putin, sei bereits fertig. Die meisten Minister rechnen schon für Montag mit ihrer Ernennung. Größere personelle Verwerfungen gelten als wenig wahrscheinlich: Die von Viktor Subkow im September gebildete Regierung, so schon damals Experten, sei erste Sahne; Putin habe die Kandidaten persönlich ausgewählt und sich dabei vor allem von deren Eignung für seine eigene Regierung leiten lassen.

* Aus: Neues Deutschland, 9. Mai 2008

Aktuelle Agenturmeldungen

Russische Börse reagiert positiv auf Amtseinführung von Präsident Medwedew

MOSKAU, 07. Mai (RIA Novosti). Die heutige Amtseinführung des neuen russischen Präsidenten Dmitri Medwedew hat den russischen Aktienmarkt angespornt.
Der auf dem US-Dollar basierende Leitindex RTS kletterte um 12.25 Uhr Moskauer Zeit, 25 Minuten nach Beginn der Vereidigungszeremonie im Kreml, auf 2171,33 Punkte, was einen Zuwachs von 0,83 Prozent zum Vortagesschluss bedeutet. Sein Rubel-Pendant MICEX legte um 1,07 Prozent auf 1712,49 Punkte zu.
Dieser Aufschwung steht im Gegensatz zu allen bisherigen Ansprachen der russischen Präsidenten, bei denen anschließend eine Abwärtsbewegung auf dem Aktienmarkt einsetze.


Erste Erlässe Medwedews: Eigene Wohnflächen für Kriegsveteranen und Förderung des Wohnbaus

MOSKAU, 07. Mai (RIA Novosti). Das erste Dokument, das Dmitri Medwedew in seiner Funktion als russischer Präsident am Mittwoch unterzeichnete, war der Erlass über die staatliche Finanzierung von Wohnflächen für Veteranen des Zweiten Weltkriegs.
Das sagte der Pressesprecher des Kremls Journalisten.
Dem Erlass zufolge erhalten alle Kriegsveteranen bis zum 1. Mai 2010 eigene Wohnflächen.
Laut dem Pressesprecher betraf der zweite von Medwedew unterzeichnete Erlass Maßnahmen für die Entwicklung des Wohnbaus, wonach in Russland ein Fonds für die Förderung dieser Branche gegründet wird.
Die dritte von Medwedew signierte Verordnung bezieht sich auf die Gründung eines Netzes von föderalen Universitäten im Land.

Quelle: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 7. Mai 2008




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