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Immer schön symmetrisch

Washington und Moskau verhängen gegenseitige Sanktionen

Von Knut Mellenthin *

Ein Rußland-Besuch kommt für 18 US-Amerikaner künftig nicht mehr in Frage. Sie können nicht mit der Erteilung eines Visums rechnen. Außerdem werden ihre Konten bei russischen Banken gesperrt. Ihre Namen stehen auf einer Liste, die das Außenministerium in Moskau am Sonnabend veröffentlichte.

Die russische Regierung reagierte mit der Präsentation dieser schwarzen Liste »hundertprozentig symmetrisch«, wie in Moskau hervorgehoben wird, auf einen Schritt der Amerikaner. In Washington hatten Finanzministerium und State Department am Freitag eine ähnliche Aufstellung bekanntgemacht. Auch sie enthält 18 Namen – von russischen Staatsbürgern, die nicht mehr in die USA einreisen dürfen und deren Guthaben eingefroren werden sollen. Außerdem existiert eine geheime zweite Liste. Auf dieser soll unter anderem Ramsan Achmatowitsch Kadyrow stehen, der von Moskau eingesetzte, aber nicht immer kontrollierbare Präsident der Föderationsrepublik Tschetschenien. Der reagierte auf das Gerücht sofort mit der Erklärung, er sei stolz darauf, »den Amerikanern zu mißfallen, weil sie an Übeltaten in der gesamten Welt beteiligt sind«.

Mit der erstmaligen Vorlage einer Namensliste sanktionierter Russen folgt die US-Regierung dem vom Kongreß beschlossenen Magnitski-Gesetz, das von Präsident Barack Obama am 14. Dezember unterzeichnet wurde. Die ihr für die Veröffentlichung gesetzte Frist hat sie nahezu ausgeschöpft. Dadurch geriet die Präsentation der Liste und der voraussehbare russische Gegenzug zeitlich ins Vorfeld des lange geplanten Moskau-Besuchs von Thomas Donilon, dem nationalen Sicherheitsberater Obamas, am heutigen Montag.

16 der auf Washingtons Zettel stehenden Russen sollen in irgendeiner Weise am Tod des Steuer- und Anlagenberaters Sergej Magnitski beteiligt gewesen sein, der 2009 unter nicht aufgeklärten Umständen in einem russischen Gefängnis starb. Die anderen beiden sind Lecha Bogatirow, der für die Ermordung eines exilierten Tschetschenen in Wien verantwortlich gemacht wird, und Kasbek Dukusow, der im Zusammenhang mit der Ermordung des US-amerikanischen Forbes-Journalisten Paul Klebnikov verdächtigt wird.

Die russische Liste enthält 14 Personen, denen Moskau vorwirft, die Rechte russischer Staatsbürger verletzt zu haben. Hauptsächlich geht es dabei um die Prozesse gegen den Waffenhändler Wiktor But und gegen den Piloten Konstantin Jaroschenko, der wegen eines angeblichen Rauschgiftdelikts in Liberia verhaftet und an die USA ausgeliefert wurde. Vier weitere stehen in Zusammenhang mit dem Lager Guantánamo und anderen Fällen von Folter und illegalen Haft- und Verhörpraktiken. Darunter sind David Addington, der Stabschef bei Vizepräsident Dick Cheney war, und John Yoo, der die Regierung von George W. Bush in Folterfragen anwaltlich beriet.

Das Moskauer Außenministerium beklagte in einer ersten Stellungnahme, daß der »unfreundliche Schritt« der USA einen »schweren Schlag für die bilateralen Beziehungen und das gegenseitige Vertrauen« darstelle. Dagegen betonten mehrere bekannte russische Parlamentarier, der Vorgang werde dem Verhältnis nicht ernsthaft schaden. Daß auf den Listen beider Seiten keine hochrangigen Personen stünden, zeige den guten Willen zur Fortsetzung der Zusammenarbeit. In Moskau wurde mit einer gewissen Erleichterung registriert, daß auf der von den Amerikanern veröffentlichten Aufstellung nur 18 Namen stehen. Gerüchteweise hieß es, daß ursprünglich bis zu 250 »Kandidaten« im Gespräch gewesen seien.

* Aus: junge Welt, Montag, 15. April 2013


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