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Weder Weltuntergang noch Regierungskrise

Russlands Präsident Putin gab sich bei seiner Jahrespressekonferenz betont optimistisch

Von Irina Wolkowa, Moskau *

Der Weltuntergang, so Wladimir Putin, finde nicht an diesem Freitag, sondern in rund viereinhalb Milliarden Jahren statt, wenn im Reaktor Sonne das Brennmaterial ausgeht.

Die Frage nach dem Weltende war eine der ersten auf der mit Spannung erwarteten Jahrespressekonferenz des russischen Präsidenten am Donnerstag in Moskau. Putins Pressesprecher hatte die Anwesenden zuvor ausdrücklich dazu aufgefordert, sich »warm zu laufen« (sprich: in seichten Gewässern zu plätschern), bevor es hart zur Sache geht.

Rund tausend Journalisten hatten sich im großen Saal des internationalen Business-Zentrums eingefunden. Darunter viele Medienvertreter aus der Provinz. Um auch ihnen Gelegenheit zu geben, dem Mann an der Spitze der russische Machtpyramide auf den Zahn zu fühlen und ihn zu verbindlichen Aussagen über die Zukunft regionaler Großprojekte zu drängen, hatte Putin das Medienevent überhaupt erst eingeführt.

Bei seiner vorletzten Jahrespressekonferenz - 2008 kurz vor dem zeitweiligen Rollentausch mit Dmitri Medwedjew - stand der Präsident den Fragern fast fünf Stunden Rede und Antwort. Dass er nun keinen neuen Rekord aufstellte, erklären Beobachter mit Putins Gesundheitsproblemen. Er selbst dementierte: Derartige Spekulationen nützten nur seinen politischen Gegnern. Die seien »bemüht, mal die Legitimität, mal die Handlungsfähigkeit der Staatsführung in Zweifel zu ziehen«. Darauf könne er nur die traditionelle Antwort geben: »Ihr wartet umsonst.«

Auch auf kritische Fragen - ob Stabilität nicht drohe, in Stagnation umzuschlagen, ob es gerechtfertigt sei, von einem autoritären Regierungsstil zu sprechen, und wie die Nachfolge geregelt wird, umging Putin direkte Antworten. Stabilität sei Voraussetzung für Entwicklung, die sei nicht mit ständigen Erschütterungen vereinbar, das schrecke auch Investoren ab. Die Einhaltung von Gesetzen widerspreche nicht demokratischen Leitungsmethoden.

Der nächste Staatschef Russlands werde nicht von ihm, Putin, ernannt, sondern vom Volk gewählt. »Früher oder später«, sagte Putin wörtlich, »werde ich diesen Posten verlassen, wie ich ihn schon vor viereinhalb Jahren verlassen habe.« Obwohl es für ihn angesichts der Zweidrittelmehrheit, über die die Kremlpartei »Einiges Russland« damals in der Duma verfügte, ein Leichtes gewesen wäre, die Verfassung zu ändern. Stattdessen habe er sich in die »zweitrangige Position« des Premiers zurückgezogen. »Natürlich ist es mir nicht egal, wer an der Spitze des Landes stehen wird.« Seinem Nachfolger wünsche er, noch erfolgreicher zu sein als er.

»Ich denke, dass die jetzige Periode im Vergleich zu anderen Entwicklungsperioden Russlands nicht die schlechteste war, vielleicht sogar die beste.« Beweise dafür lieferte er bereits in seinem kurzen Monolog zu Beginn. Das Wirtschaftswachstum für das laufende Jahr liegt demzufolge bei 3,7 Prozent, das für die verarbeitende Industrie falle erstmalig noch höher aus und belaufe sich auf 4,8 Prozent. Die Inflation sei auf rund sechs Prozent gedrückt worden, die Arbeitslosenquote im Landesdurchschnitt auf rund ein Prozent, in strukturschwachen Regionen wie dem Nordkaukaus falle sie allerdings ungleich höher aus. Die Regierung, mit deren Arbeit er »im Großen und Ganzen zufrieden«, sei, steuere mit Förderprogrammen dagegen. Dass die Wachstumsprognosen trotzdem leicht nach unten korrigiert werden mussten, erklärte Putin mit dem allgemeinen Rückgang des Wachstumstempos der Weltwirtschaft und mit der Rezession in der Eurozone, einem der wichtigsten Außenhandelspartner Russlands. Hinzu kämen Missernten.

Auf die Frage einer georgischen Journalistin zum bilateralen Verhältnis sagte Putin, die neue Regierung in Tbilissi sende positive Signale, durch Schuld von Präsident Michail Saakaschwili seien die Verhandlungen jedoch in einer Sackgasse. »Ich verstehe offen gestanden nicht, wie man da raus kann«, sagte Putin. Gemeint war der Streit um die von Moskau anerkannten Republiken Südossetien und Abchasien, die Georgien weiter als Teil seines Gebiets sieht. Längerfristig gebe es zur Normalisierung der Beziehungen zweier Völker, die einander so nahe sind, jedoch keine Alternative.

* Aus: neues deutschland, Freitag, 21. Dezember 2012


Weitere Informationen zu Putins Pressekonferenz

(Nach Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, vom 20. Dezember 2012)

Der Präsident antwortet auf 81 Fragen

Russlands Präsident Wladimir Putin hat während seiner heutigen großen Pressekonferenz in Moskau 81 Fragen beantwortet. Die Veranstaltung dauerte 4:33 Stunden und war damit nur sieben Minuten kürzer als der bislang längste Presseauftritt Putins im Jahr 2008.

Die meisten Fragen betrafen Politik, Wirtschaft und Soziales. An der Pressekonferenz nahmen russische Journalisten aber auch Medienleute aus Deutschland, den USA, China, Georgien, der Ukraine und Polen teil.

Besonderes Interesse erweckte bei der Medienwelt das Verbot der Kinderadoptionen in die USA: Zu diesem Thema wurden insgesamt sieben Fragen gestellt. Auch wurde Putin nach dem Datum des Weltunterganges gefragt, aber auch danach, ob der französische Schauspieler Gérard Depardieu die russische Staatsbürgerschaft bekäme.

Während seiner ersten Amtszeit als Präsident (2000 bis 2008) gab Putin fast in jedem Jahr eine große Pressekonferenz. Bei der ersten solchen Veranstaltung im Jahr 2001 antwortete er auf 22 Fragen. Bei der Pressekonferenz 2008 wurden schon insgesamt 106 Fragen gestellt.


Irak-Krieg hat Beziehungen zwischen Russland und USA verschlechtert

Die US-Invasion in den Irak im Jahr 2003 war laut dem russischen Präsidenten Wladimir Putin ein Wendepunkt, nach dem sich die Beziehungen zwischen Moskau und Washington verschlechtert haben.

„Wir hatten im Prinzip gute Beziehungen (mit den USA). Sie haben sich relativ verschlechtert, weil wir eine andere Position zum Irak hatten. Ab da begannen Probleme“, sagte Putin am Donnerstag auf einer Pressekonferenz in Moskau.

„Ob die Mittel zur Lösung des Problems Saddam Hussein angemessen waren, ist eine schwierige Frage“, führte Putin aus. „Ich denke aber, dass derartige Mittel strittig sind“. Jetzt steht der Irak laut Putin vor einem Staatszerfall. Das sei eine Folge der Entscheidungen der westlichen Staaten zum Saddam-Regime. Aber auch wenn Russland und die USA in Sachen Sicherheit Differenzen haben, seien die keine Feinde, betonte Putin.


Gegen Moskauer Ex-OB Luschkow laufen Ermittlungen

Gegen den Ex-Oberbürgermeister von Moskau Juri Luschkow sind laut dem russischen Präsidenten Wladimir Putin bereits mehrere Ermittlungsverfahren eingeleitet worden.

Das teilte Putin am Donnerstag nach seiner großen Pressekonferenz in einem Gespräch mit Journalisten mit.

Auf die Zusatzfrage, warum Luschkow nicht zur Verantwortung gezogen werde, erwiderte der Präsident: „Es ist noch zu früh.“


Videos entlarven georgischen Politiker als Drahtzieher von Unruhen in Russland

Die Versuche des georgischen Politikers Giwi Targamadse, russische Bürger zu Terrorakten und zum Sturz der Staatsmacht in Russland aufzuwiegeln, bedürfen laut Präsident Wladimir Putin einer rechtlichen Bewertung.

Targamadse „hat versucht, russische Bürger zu rechtswidrigen Handlungen in Form von Terrorakten oder einer illegitimen Machtübernahme aufzuwiegeln, und tut dies möglicherweise jetzt immer noch“. Dies werde von zufällig aufgenommenen Videos belegt, sagte Putin am Donnerstag in Moskau in einer großen Pressekonferenz.

Wie das Untersuchungskomitee Russlands in der vorigen Woche mitgeteilt hatte, liegen den Ermittlern Beweise dafür vor, dass Targamadse die russische Opposition finanziert und eine konkrete Rolle bei der Organisation der Massenunruhen auf dem Moskauer Bolotnaja-Platz (im Mai 2011) gespielt hatte.

Das Untersuchungskomitee will bei den georgischen Behörden einen Antrag auf Hilfe bei der Untersuchung der Organisation der genannten Massenunruhen in Russland stellen.


Absturz polnischen Präsidenten-Jets bei Smolensk darf nicht politisiert werden

Der russische Präsident Wladimir Putin ist gegen eine Politisierung des Todes des polnischen Präsidenten Lech Kaczynski beim Jet-Absturz im März 2010 bei Smolensk.

„Das einzige, was nach meinem Dafürhalten nicht getan werden darf, ist, dieses Problem zu politisieren“, sagte Putin am Donnerstag in Moskau in einer großen Pressekonferenz.

Das sei eine Tragödie und Russland trauere zusammen mit dem polnischen Volk darum - und das ganz aufrichtig, so der Präsident. Er fügte hinzu, dass der russischen Seite an einer unparteiischen Untersuchung des Absturzes der Kaczynksi-Maschine gelegen ist.

Zum Ablauf der Untersuchung sagte Putin, dass die russischen und die polnischen Ermittler „sehr konstruktive und sachliche Kontakte miteinander hergestellt haben“.

Die Tu-154 mit einer polnischen Delegation an Bord war am 10. April 2010 beim Landeanflug unweit der russischen Stadt Smolensk abgestürzt. Von den 96 Insassen, darunter Präsident Lech Kaczynski und seiner Ehefrau, überlebte niemand.

Warschau besteht seit langem darauf, dass die Jet-Trümmer, die die polnischen Ermittler für ihre Untersuchung benötigen, baldigst von Moskau zurückgegeben werden. Russland hat zugesagt, die Wrackteile nach dem Abschluss der notwendigen Maßnahmen im Rahmen der russischen Ermittlungen zurückzugeben.

Er glaube nicht, dass Russland die Wrackteile länger bei sich behalten solle, so Putin. Er versprach, dieses Thema mit dem Untersuchungskomitee Russlands zu besprechen.

Das Zwischenstaatliche Luftfahrtkomitee (der GUS) hatte im Jahr 2011 einen Endbericht über die Ergebnisse einer technischen Untersuchung des Absturzes veröffentlicht. Dem Dokument zufolge hatten die Weigerung der polnischen Crew, einen alternativen Flughafen anzufliegen, sowie Mängel in der Flugsicherung und eine unzureichende Ausbildung der Piloten die Katastrophe verursacht.


Putin will Einsicht in Magnitski-Fall nehmen

Russlands Präsident Wladimir Putin kennt nach eigener Aussage immer noch nicht die Details des Todesfalls Sergej Magnitski, der seit Jahren die Beziehungen zwischen Russland und die USA belastet, will jedoch Einsicht darin nehmen.

Vom Tod des Anwalts Sergej Magnitski 2009 habe er - damals noch russischer Regierungschef - aus Medien erfahren, teilte Putin am Donnerstag während einer Pressekonferenz in Moskau mit. „Offen gestanden kenne ich die Details dieses tragischen Todesfalls im Untersuchungsgefängnis immer noch nicht. Aber ich spüre, ich werde mich darin vertiefen müssen.“ Soweit er wisse, ist Magnitski nicht durch Folter, sondern an Herzanschlag gestorben, sagte Putin.

Magnitski, Jurist der Investmentstiftung Hermitage Capital Management, war 2008 wegen des Verdachts festgenommen worden, Unternehmenssteuern hinterzogen zu haben. Der Verdächtige beteuerte seine Unschuld und warf Beamten im Innenministerium vor, 5,4 Milliarden Rubel (ca. 135 Millionen Euro), die die Stiftung an Steuern gezahlt hat, unterschlagen zu haben.

Der 37-Jährige starb am 16. November 2009, nach fast einem Jahr in U-Haft. Vor seinem Tod soll er über Schmerzen geklagt haben, jedoch sollen Aufseher und Ärzte des betreffenden Untersuchungsgefängnisses nicht reagiert haben. In Russland wurde im Zusammenhang mit dem Todesfall ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Der Vorfall löste ein starkes internationales Echo aus. Im Westen wurde eine Liste russischer Amtspersonen erstellt, die angeblich in den Tod Magnitskis verwickelt sind. Der US-Kongress verabschiedete ein Gesetz, welches Einreisebeschränkungen und andere Sanktionen gegen die auf dieser Liste stehenden Beamten verhängt. Die Staatsduma (Unterhaus des russischen Parlaments) konterte mit einem eigenen Sanktionsgesetz, das für alle ausländischen Staatsbürger gilt, die die Rechte von Russen verletzt haben.




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