"Gewisse positive Entwicklung"
NATO und Russland nehmen die Zusammenarbeit wieder auf
Das Treffen des NATO-Russland-Rats auf Korfu war vom Bemühen um Entspannung geprägt. Die Streitpunkte aber wurden nicht ausgeräumt.
Trotz weiter bestehender Differenzen über Georgien wollen Russland und die
NATO ihre politische und militärische Zusammenarbeit wiederaufnehmen. Der NATO-Russland-Rat
sei wieder funktionsfähig, sagte der scheidende NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer am
Samstag nach einem Treffen auf der griechischen Mittelmeerinsel Korfu. Es war das erste Treffen
auf Ministerebene seit dem Georgien-Krieg Mitte 2008.
Er habe sein Ziel erreicht, seinem Nachfolger einen funktionierenden NATO-Russland-Rat zu
hinterlassen, sagte De Hoop Scheffer. Es gebe in Bezug auf Georgien weiterhin »grundlegende
Differenzen« zwischen dem atlantischen Bündnis und der Regierung in Moskau, sagte er. Dies sei
aber kein »Stolperstein« mehr für viele andere Themen, die im NATO-Russland-Rat diskutiert
werden könnten. Die 29 Botschafter der NATO-Staaten und Russlands in Brüssel sollten nun
darüber beraten, wie der Rat »noch effektiver« arbeiten könnte.
Die Beziehungen der NATO zu Russland waren vor allem durch Moskaus Anerkennung der
abtrünnigen georgischen Regionen Abchasien und Südossetien in die Krise geraten. Russlands
Außenminister Sergej Lawrow hob nach dem etwa zweistündigen Treffen mit seinen Kollegen aus
den NATO-Staaten hervor, die Anerkennung der Unabhängigkeit Abchasiens und Südossetiens sei
»unumkehrbar«. Die Gespräche mit den NATO-Ministern seien »zu einem gewissen Maß eine
positive Entwicklung« gewesen. Der NATO-Russland-Rat müsse nun zu seinen
Gründungsprinzipien zurückkehren, vor allem dem, dass keine Seite Maßnahmen ergreifen dürfe,
welche die Sicherheit der anderen in Frage stellten.
Lawrow äußerte sich optimistisch zu einer möglichen Einigung mit den USA über den geplanten
Raketenschild in Osteuropa. Moskau habe mit Befriedigung zur Kenntnis genommen, dass die
Regierung von US-Präsident Barack Obama die Umsetzung der Pläne seines Vorgängers auf Eis
gelegt habe. Er hoffe nun auf Abkommen, die es Russland, den USA und Europa ermöglichen
könnten, der Bedrohung durch Raketen gemeinsam zu begegnen, betonte Lawrow.
Ursprünglich war der NATO-Russland-Rat bereits für den 20. Mai in Brüssel geplant. Moskau hatte
das Treffen aber im Streit um ein Manöver der westlichen Militärallianz in Georgien kurzfristig
abgesagt. Die NATO setzt bei ihrer künftigen Zusammenarbeit mit Russland insbesondere auf die
gemeinsame Bekämpfung der Piraterie und des Terrorismus. Auch bei der Nachschubversorgung
der Truppen in Afghanistan hofft das Militärbündnis auf eine Kooperation mit Russland. Differenzen
gibt es neben Georgien aber auch bei der Anerkennung Kosovos als eigenständigen Staat.
* Aus: Neues Deutschland, 29. Juni 2009
Partielle Erwärmung
Von Uwe Sattler **
Der scheidende NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer machte noch einmal auf Optimismus. Der NATO-Russland-Rat sei wieder funktionsfähig, erklärte er nach dem Treffen des Gremiums auf Korfu. Dass die Runde jedoch bald »noch effektiver« arbeiten werde, wie De Hoop Scheffer meinte, ist allerdings eine Illusion. Denn die Probleme zwischen beiden Seiten sind keineswegs ausgeräumt, sondern nur zurückgestellt
Diese Probleme heißen vor allem Abchasien und Südossetien. Die NATO drängt weiter auf Rücknahme der Anerkennung der Unabhängigkeit beider früherer georgischen Gebiete durch Moskau. Schließlich will man es sich nicht mit der Führung des für die Allianz strategisch wichtigen Georgien verderben. Daran, dass die völkerrechtliche Realität mit der Abnabelung der beiden Autonomien von Tbilissi eine andere geworden ist, stört sich das Militärbündnis wenig. Der Zwist um die abtrünnigen Regionen hatte zu einer Eiszeit im bilateralen Verhältnis geführt.
Da mag es eine gewisse Entspannung gebracht haben, dass die USA unter Präsident Obama in anderen für Russlands Sicherheit relevanten Fragen, wie der Errichtung des amerikanischen Raketenschildes in Osteuropa, durchaus kompromissbereit scheinen. Von einer wirklichen Annäherung aber war man auf Korfu weit entfernt. Man redet wieder miteinander. Nicht weniger, aber auch nicht mehr.
** Aus: Neues Deutschland, 29. Juni 2009 (Kommentar)
Nato erwartet Wiederaufnahme der militärischen Kooperation mit Russland - MEHR
Nach der heutigen Sitzung des Russland-Nato-Rates auf der griechischen Insel Korfu erwartet die Nordatlantik-Allianz eine Wiederaufnahme der militärischen Zusammenarbeit mit Russland.
Das sagte Nato-Sprecher James Appathurai am Samstag (27. Juni) kurz vor Beginn des inoffiziellen Außenministertreffens des Bündnisses und Russlands, des ersten seit dem Kaukasus-Konflikt von August 2008 (s. Chronik des Konfliktes). „Ich bin optimistisch. Ich denke, wir müssen dieses Treffen mit einer Wiederaufnahme der politischen Zusammenarbeit abschließen“, sagte er. „Ich hoffe, dass auch die militärischen Kontakte wiederhergestellt werden.“ Der Russland-Nato-Rat habe als eine Kooperationsstruktur ein hohes Potenzial, sagte Appathurai.
Das Verhältnis zwischen Russland und der Nato hatte sich im vergangenen August zugespitzt, als Georgien dessen abtrünnige Provinz Südossetien und die dort stationierten russischen Friedenssoldaten angegriffen hatte (s. Kriegsbilder aus dem Kaukasus). Russland schickte daraufhin Truppen in die Region, um die georgische Armee aus dem Gebiet zu drängen. Die Nato hatte Georgien während des Konfliktes unterstützt.
Die Nato-Außenminister setzten als Reaktion auf Moskaus Vorgehen im Kaukasus die Sitzungen des Russland-Nato-Rats aus. Russland reagierte, indem es einige Programme und Übungen mit der Nato aufs Eis legte. Die Nato-Außenminister beschlossen bei ihrem Treffen am 5. Mai in Brüssel eine vollständige Wiederaufnahme der Beziehungen mit Russland.
Im vergangenen Monat kam es aber erneut zu Spannungen, nachdem die Nato am 6. Mai trotz heftiger Kritik aus Moskau das knapp einen Monat lange Militärmanöver in Georgien Cooperative Lancer/Cooperative Longbow begonnen hatte. Einen Tag davor hatte das Bündnis zwei russischen Vertretern bei seinem Hauptquartier in Brüssel die Akkreditierung entzogen und damit deren Ausweisung aus Belgien bewirkt. Der russische Außenminister Sergej Lawrow sagte daraufhin seine Teilnahme an dem für Mai geplanten Russland-Nato-Rat ab.
Quelle: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 27. Juni 2009; http://de.rian.ru
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