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Gegen Kapitalflucht

Rußland will sich besser gegen illegale Finanztransfers korrupter Funktionäre ins Ausland schützen. Kritiker sprechen von "symbolischem Akt"

Von Knut Mellenthin *

Leitende russische Staatsfunktionäre und Spitzenmanager von Staatsbetrieben sollen keine ausländischen Bankguthaben, Aktien und Wertpapiere mehr besitzen dürfen. Ein entsprechendes Gesetz hatte Präsident Putin der Duma am 12. Februar zugeleitet. Am Freitag billigte das Unterhaus des Parlaments die Vorlage in erster Lesung mit den Stimmen von 443 Abgeordneten. Da die Duma 450 Sitze hat, ist offensichtlich, daß neben Putins Partei »Einiges Rußland« (238 Mandate) auch die Vertreter der drei anderen im Unterhaus vertretenen Parteien – die Kommunisten als stärkste Oppositionspartei (92 Mandate), die Sozialdemokraten von »Gerechtes Russland« (64) und die rechtspopulistischen Liberaldemokraten (56) – fast ausnahmslos dem Entwurf zugestimmt haben.

Das Vorhaben ist zweifellos sehr populär. Eine am Donnerstag veröffentlichte Meinungsumfrage zeigt, daß zwischen 85 und 89 Prozent der Bevölkerung den einzelnen Teilen des Gesetzes zustimmen. Kommentatoren der staatlichen Medien stellen jedoch die Frage, ob Putin wirklich vorhat, dieses Gesetz mit Konsequenz und Härte durchzusetzen, oder ob der Präsident – wie schon mehrmals in der Vergangenheit – nur einen symbolischen Akt beabsichtigt, der der verbreiteten Unzufriedenheit mit den sozialen Verhältnissen entgegenkommt, ohne Wesentliches zu ändern. Das Gesetz in der von Putin favorisierten Form sei leicht zu umgehen, warnen Kritiker, und es sei auch nicht umfassend genug.

Skepsis gegen die Motive des Präsidenten liegt nahe. Nicht nur, weil er nach wie vor Unschlüssigkeit und Konzeptionslosigkeit bei der Bekämpfung des Amtsmißbrauchs zeigt. Sondern auch, weil Putin seinen Entwurf erst an das Parlament herangetragen hat, nachdem die vier Fraktionen der Duma bereits im Dezember gemeinsam ein eigenes Gesetz zum selben Thema auf den Weg gebracht hatten. Dieses geht erheblich weiter als die Version des Präsidenten. Der betroffene Personenkreis ist größer – unter anderem umfaßt er auch alle Militärangehörigen und Zollbeamten –, die Strafen für Verstöße sind härter, und es soll auch der Besitz von Immobilien im Ausland verboten werden. Allgemein wird jetzt damit gerechnet, daß der ältere Entwurf der Duma mit Putins neuer Vorlage »zusammengefaßt« werden soll und daß es dabei zu einer Aufweichung des Gesetzes kommen wird.

Der Slogan »Nationalisierung der Elite« erfreut sich derzeit in Rußland großer Beliebtheit. Zu denken ist dabei neben der Bekämpfung der Korruption und einer stärkeren Betonung »nationaler Werte« in der politischen Auseinandersetzung mit dem Westen auch an die Eindämmung der Kapitalflucht und an einen sorgfältigeren, besser kontrollierten Umgang mit Rüstungskäufen im Ausland. Zentralbankchef Sergej Ignatjew behauptete am Mittwoch, daß der illegale Geldtransfer aus Rußland ins Ausland bei jährlich 49 Milliarden Dollar liege. Ungefähr die Hälfte dieser Summe werde von einer einzigen Gruppe »gut organisierter Leute« verschoben, sagte Ignatjew, der nur noch bis Juni im Amt ist. Konkrete Einzelheiten oder gar Namen ließ er sich allerdings nicht entlocken. Putins Sprecher Dmitri Peskow wies die Zahlenangabe des Bankchefs als »stark übertrieben« zurück.

Indessen kursieren in Moskau Gerüchte über eine nahe bevorstehende Verhaftung des früheren Verteidigungsministers Anatoli Serdjukow. Er war von Putin im November wegen mutmaßlicher Finanzverbrechen in seinem Bereich entlassen worden. Mehrere seiner leitenden Mitarbeiter, darunter seine enge Vertraute Jekaterina Smetanowa, befinden sich bereits in Untersuchungshaft. Die Ermittler beziffern den durch Betrügereien im Ministerium angerichteten Schaden auf 433 Millionen Dollar.

* Aus: junge Welt, Montag, 25. Februar 2013


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