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Streit im Bruderbund Moskau-Minsk

Russland setzte Belarus nach Verhaftung eines Managers unter Druck

Von Irina Wolkowa, Moskau *

Moskau lässt seine Oligarchen nicht im Stich. Der Festnahme von Uralkali-Generaldirektor Wladislaw Baumgertner im belarussischen Minsk folgten harte Sanktionen gegen den Nachbarn.

Am Mittwoch stoppte Russlands oberster Verbraucherschützer die Einfuhr belarussischer Milchprodukte. Darin seien »unbekannte Bakterien« entdeckt worden. Donnerstagfrüh drosselte der Ölkonzern Rosneft seine Exporte nach Belarus wegen »Reparaturarbeiten« um 20 Prozent. Kaum jemand zweifelt daran, dass es sich um Vergeltungsmaßnahmen für die Festnahme Wladislaw Baumgertners (Foto) in Minsk handelt.

Der Chefmanager des Unternehmens Uralkali sitzt seit Montag in belarussischer Haft. Seine Firma – neben dem kanadischen Düngemittelhersteller Canpotex Weltmarktführer – hatte mit dem belarussischen Staatskonzern Belaruskali ein Konsortium gegründet, das Kaliprodukte beider Unternehmen auf Drittmärkten gemeinsam vertrieb: immerhin rund 43 Prozent der Weltproduktion an Kalidüngemitteln. Der nicht unbeträchtliche Gewinn floss einerseits in die belarussische Staatskasse, andererseits aufs Konto der Uralkali-Aktionäre, deren wichtigster der russische Multimilliardär Suleiman Kerimow ist. Im Juli hatten sich die Partner jedoch zerstritten. Uralkali drohte, den Verkauf wieder selbst in die Hand zu nehmen und eigene Produktionskapazitäten voll auszulasten. Teile davon waren, um dem Juniorpartner das Projekt schmackhaft zu machen, nach Belarus ausgelagert worden.

In Minsk fürchtete man nicht zu Unrecht den Verlust dringend benötigter Deviseneinnahmen. Ohnehin geht es Belarus wirtschaftlich nicht gut. Um den Streit beizulegen, lud Ministerpräsident Michail Mjasnikowitsch den Uralkali-Manager Baumgertner nach Minsk ein. Die Verhandlungen am Montag endeten jedoch ergebnislos. Unmittelbar danach wurde Baumgertner auf dem Minsker Flughafen festgenommen, ein Gericht verhängte inzwischen zwei Monate Untersuchungshaft gegen ihn. Begründung: Er und drei weitere Uralkali-Manager hätten Insiderwissen zur eigenen Bereicherung genutzt, dem belarussischen Partner seien dadurch Verluste von 100 Millionen Dollar entstanden. Als Entschädigung dafür sollen Immobilien und andere Vermögenswerte des Konzerns in Belarus beschlagnahmt werden, meldete die Moskauer Nachrichtenagentur RIA Nowosti. Mittlerweile soll auch gegen Mehrheitsaktionär Kerimow ermittelt werden.

Die Vorgänge seien »absolut inakzeptabel«, rügte Russlands Vizepremier Igor Schuwalow, die Situation sei »sonderbar, unangemessen« und passe nicht zu einer Partnerschaft. Russland und Belarus hatten 1997 die Gründung eines Unionsstaates beschlossen.

Experten warnen derweil, die Vergeltungsmaßnahmen könnten für Moskau zum Bumerang werden: Viele russische Maschinenbauer haben ihre Produktion nach Belarus ausgelagert, weil dort die Kosten niedriger sind.

* Aus: neues deutschland, Freitag, 30.08.2013


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