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Russland-USA: Abrüstungsgespräche verkommen zu Debattierklub

Kein Fortschritt beim START-Vertrag und bei Raketenabwehr

Dem Rausch nach dem Amtsantritt von US-Präsident Barack Obama folgt die Ernüchterung: Russland und die USA stehen noch immer dort, wo sie am Anfang gestanden haben.

Das hat indirekt der Moskau-Besuch von US-Außenministerin Hillary Clinton bestätigt, bei dem neben allgemeinen Worten keine konkreten Erklärungen über die strategische Abrüstung oder die Raketenabwehr abgegeben wurden.

START-Vertrag

Gegenwärtig wird das atomare Gleichgewicht zwischen Russland und den USA durch den Vertrag zur Verringerung der Strategischen Nuklearwaffen (START) gesichert, der bereits 1991 von der Sowjetunion und den USA unterzeichnet worden war und am 5. Dezember dieses Jahres abläuft. Er verpflichtet beide Staaten dazu, ihre strategischen Atomwaffen von 10 000 auf jeweils 6 000 Gefechtsköpfe zu reduzieren.

Im Mai 2002 schlossen Moskau und Washington das Abkommen über eine Verringerung ihrer strategischen Offensivpotentiale (SORT). Darin verpflichteten sie sich, bis zum 31. Dezember 2012 ihre atomaren Sprengladungen auf jeweils 1700 bis 2200 Stück abzubauen.

Der russische Präsident Dmitri Medwedew und sein US-Amtskollege Barack Obama hatten sich bei ihrem ersten Treffen im Frühjahr darauf verständigt, bis Ende dieses Jahres einen neuen Abrüstungsvertrag zu vereinbaren, der sich an das SORT-Abkommen anlehnen soll.

Wie kann man denn neue Aufgaben stellen, ohne sich davon überzeugt zu haben, dass die bisherigen erfüllt sind? Laut informierten Quellen haben Moskau und Washington einander noch nicht einmal über die genaue Zahl der ihnen zur Verfügung stehenden Rüstungen informiert.

Und der neue Vertrag soll schon in zwei Monaten fertig sein. Laut diplomatischen Quellen gibt es bei der Abstimmung des Textes zwar einen Fortschritt, doch wäre es naiv, zu glauben, dass die wichtigsten Streitpunkte zwischen den Parteien im letzten Moment geregelt werden. Zudem bräuchte man offenbar viel Zeit, um den neuen Vertrag, der samt Zusatzprotokollen Dutzende Seiten umfassen wird, zu verifizieren.

Was konkrete Abrüstungszahlen anbetrifft, so verlaufen die diesbezüglichen Verhandlungen laut informierten Kreisen schleppend. Aber auch das ist nicht wohl das größte Problem: Russland will im neuen Vertrag auch nicht-atomare (konventionelle) Raketen berücksichtigen, die USA sind dagegen.

Raketenabwehr

Der Verzicht der Administration Barack Obama auf die Aufstellung von zehn Abfangraketen in Polen und eines Radars in Tschechien wurde in Russland mit Begeisterung aufgenommen. Das, obwohl Washington die ABM-Pläne als sinnlos eingestuft hat und deren Aufgabe nicht als Zugeständnis an Moskau betrachtet.

Dabei halten die Amerikaner an dem Plan fest, künftig einen Abwehrschild gegen atomare Langstreckenraketen aufzubauen. So sollen bis zum Jahr 2018 die SM-3-Abfangraketen so umgebaut werden, dass sie neben Kurz- und Mittelstreckenraketen auch weitreichende Interkontinentalraketen abfangen können. Zudem will die Obama-Administration in aller Welt mobile Radare aufstellen, um Raketenstarts orten zu können.

Damit wird sich die Sicherheitslage für Russland - wenn auch aufgeschoben - verschlechtern - trotz Beteuerungen aus Washington, dass beide Staaten Freunde seien.

Es gibt noch ein Problem. Nach dem Verzicht auf den Raketenschild in Polen wollen die Amerikaner die russischen Radaranlagen in Armawir und Aserbaidschan einseitig benutzen. Ungefähr das Gleiche hatte die Bush-Administration vorgeschlagen: Die USA nutzen die russischen Radare nach ihrem Ermessen. Moskau wird das kaum akzeptieren.

Die Meinung des Verfassers muss nicht mit der von RIA Novosti übereinstimmen.

* Aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 16. Oktober 2009



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