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Kagame für Kagame

Ruandas Parlament bereitet Referendum über Verfassungsänderung für dritte Amtszeit des Präsidenten vor

Von Simon Loidl *

Der ruandische Präsident Paul Kagame will auch nach dem Ende seiner zweiten Amtszeit im Jahr 2017 weiterregieren. Die Verfassung des ostafrikanischen Landes erlaubt jedoch nur zwei Perioden. Deshalb veranstaltet die politische Führung derzeit eine breite Kampagne, die in ein Referendum über eine Änderung der entsprechenden Bestimmungen münden soll. Seit Montag reisen Parlamentsabgeordnete durch das Land, um »Konsultationen« mit Angehörigen aller Teile und Schichten der Bevölkerung durchzuführen. In der vergangenen Woche haben beide Kammern des ruandischen Parlaments, das von Kagames Partei »Ruandische Patriotische Front« (RPF) dominiert wird, eine nach offiziellen Angaben von fast einem Viertel der Bevölkerung unterzeichnete Petition unterstützt. Etwa die Hälfte der Wahlberechtigten, genau 3.784 586 Einwohner, haben laut der Tageszeitung New Times die Eingabe unterzeichnet, die eine Verfassungsänderung fordert. Diese soll Präsident Paul Kagame eine dritte Amtszeit ermöglichen. In der Petition wurde auf die »außerordentlichen Führungsqualitäten« Kagames ebenso verwiesen wie auf die unter seiner Präsidentschaft erfolgte »Versöhnung« nach Bürgerkrieg und Genozid sowie auf die ökonomischen Erfolge der vergangenen Jahre.

Mit der parlamentarischen Unterstützung für die nach offizieller Lesart vom Volk gewünschte Verfassungsänderung beschloss das Parlament, die Weichen für ein dazu notwendigen Referendum zu stellen. Die nun bis zum 11. August durchgeführten »Konsultationen« dienen den Abgeordneten dazu, sich ein Bild über die Stimmungslage im Land zu machen. Über diese Befragungen berichten die Volksvertreter dem Parlament, anschließend wird der genaue Wortlaut der Verfassungsänderung festgelegt, über die schließlich die Wahlberechtigten abstimmen sollen.

Paul Kagame ist bereits seit dem Jahr 2000 Präsident. Nach dem Rücktritt seines Vorgängers Pasteur Bizimungu im März jenes Jahres wählte das Parlament den zu diesem Zeitpunkt als Vizepräsident amtierenden Kagame an die Spitze des ruandischen Staates. 2003 wurde er erstmals regulär gewählt. Allerdings sprachen Oppositionskräfte damals von Wahlbetrug. Auch die Wiederwahl im Jahr 2010 war von derartigen Vorwürfen überschattet. Mehrere Gegenkandidaten wurden von den Behörden nicht zur Abstimmung zugelassen, Gegner Kagames sprachen von Einschüchterung und Unregelmäßigkeiten.

Einige ruandische Medien feiern die Kampagne als Zeichen dafür, dass sich der Wille des Volkes durchsetze. Die Welt sei lediglich nicht daran gewöhnt, dass Derartiges auf friedliche Weise geschehe, so ein Kommentator der regierungsfreundlichen New Times. Die Menschen in Ruanda pflegten aber Dinge auf ihre eigene Weise zu tun. Kritiker weisen hingegen auf das Fehlen einer echten Opposition hin und sprechen von Unterdrückung der Meinungsfreiheit sowie von Repression gegen abweichende Vorstellungen. Die Kampagne für eine Verfassungsänderung ist in dieser Sichtweise nur scheinbar eine demokratische Bewegung; tatsächlich stehe der sich in dieser Frage neutral gebende Präsident selbst dahinter.

Menschenrechtsorganisationen werfen Kagame einen immer autoritäreren Kurs vor. In einem aktuellen Bericht spricht Amnesty International (ai) etwa von massiven Beschränkungen der Presse- und Versammlungsfreiheit in Ruanda. Die »wenigen Oppositionsparteien« sind demnach mit repressiven Bedingungen konfrontiert, ai spricht zudem von illegalen Festnahmen und unfairen Gerichtsverfahren.

Auffällig ist die unterschiedliche Reaktion von Vertretern westlicher Länder auf angestrebte Verfassungsänderungen mit dem Ziel, den jeweiligen Präsidenten eine weitere Amtszeit zu ermöglichen. Derartige Ambitionen des burundischen Präsidenten wurden international heftig kritisiert. Die Reaktionen auf den Werbefeldzug zur Amtszeitverlängerung von Kagame, der als enger Partner der USA und einiger europäischer Regierungen gilt, waren bisher verhalten.

* Aus: junge Welt, Freitag, 24. Juli 2015


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