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Rückkehrer

Theodor Stolojan (65) soll Rumäniens neue Regierung führen

Von Detlef D. Pries *

Der Mann, den Rumäniens Präsident Traian Basescu mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragt hat, war schon einmal Ministerpräsident – von Oktober 1991 bis November 1992. Prompt höhnen Kritiker, Rumänien werde um 17 Jahre zurückgeworfen.

Tatsächlich soll das Land erstmals seit 1989 von einer großen Koalition regiert werden, nachdem Liberaldemokraten (PDL) und Sozialdemokraten (PSD) fast gleich stark aus den Parlamentswahlen am 30. November hervorgegangen sind. Zuvor hatten sich die Parteien freilich kräftig beharkt. Die Zeitung »Cotidianul« fragt denn auch: »Wie soll man einer Partei, die sagt, sie würde gegen die Linke kämpfen, noch glauben, wenn sie ihr gleich nach der Wahl die Hand reicht?«

Dem 65-jährigen Liberaldemokraten Theodor Stolojan sind die künftigen Regierungspartner allerdings so fremd nicht. Der studierte Wirtschaftswissenschaftler arbeitete als RKP-Mitglied schon vor 1989 im Finanzministerium – in leitender Funktion. Minister und »Reformer« wurde er aber erst im Mai 1990. Ein Jahr später übernahm er die Privatisierungsbehörde und beeindruckte selbst westliche Experten durch seine »Zielstrebigkeit«.

Im Herbst 1991 betraute ihn der damalige Präsident Ion Iliescu, Altvorderer der heutigen PSD, mit dem Vorsitz einer Regierung der »nationalen Öffnung«, der erstmals auch Nationalliberale angehörten. Ein Jahr darauf aus der Politik verabschiedet, wurde Stolojan Berater der Weltbank und betätigte sich in der Privatwirtschaft.

Im Jahr 2000 kehrte er zurück – als Präsidentschaftskandidat. Die Wahl gewann indes wieder einmal Iliescu. Vier Jahre später bildete Stolojan, nun Chef der nationalliberalen PNL, ein Bündnis mit der Demokratischen Partei (PD) Traian Basescus. Dem trat er sogar die Präsidentschaftskandidatur ab. Das Bündnis siegte auf ganzer Linie, nur dass Präsident Basescu und Premier Calin Popescu Tariceanu (PNL) bald in Fehde gerieten, worauf Stolojan die PNL verließ und mit der PD die PDL formierte, die sich im Wahlkampf als präsidententreue »Opposition« gebärdete. Solche Treue belohnte Basescu jetzt mit dem Premiersamt. Ein Grund für die große Koalition mit der »postkommunistischen« PSD fand sich auch: Die Krise macht's nötig.

* Aus: Neues Deutschland, 12. Dezember 2008


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