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Demokratie bedroht

Stichwahlen um die Präsidentschaft in Rumänien: Amtsinhaber Traian Basescu setzt sich mit knapper Mehrheit gegen sozialdemokratischen Kandidaten Mircea Geoana durch

Von Werner Pirker *

Der Herausforderer hatte sich Sonntag nachmittag bereits als Sieger feiern lassen. Doch nachdem 95 Prozent der Stimmen ausgezählt waren, deutete alles auf eine Wiederwahl des Amtsinhabers hin. Dem vorläufigen Endergebnis zufolge hat Traian Basescu, der von den Liberaldemokratischen Partei (PDL) unterstützt wird, die rumänischen Präsidentenwahlen mit 50,43 Prozent für sich entschieden. Der von der sozialdemokratischen (postkommunistischen) PSD ins Rennen geschickte Mircea Geoana mußte sich mit 49,57 Prozent denkbar knapp geschlagen geben.

Das Ergebnis der Stichwahl - im ersten Wahlgang eine Woche zuvor lag Basescu vor Geoana und dem Kandidaten der Nationalliberalen (PNL), Crin Antonescu - widerlegte alle Meinungsumfragen und auch die Nachwahlbefragung. Geoanas Favoritenrolle ergab sich vor allem aus der Unterstützung, die ihm vom Drittplatzierten des ersten Wahlganges zugesichert worden war. Doch dürfte die oben getroffene Vereinbarung von den rechtskonservativ gestimmten Antonescu-Wählern nicht befolgt worden sein. Es ist das erste Mal in der postkommunistischen Geschichte Rumäniens, daß ein Präsident seine Wiederwahl geschafft hat.

Traian Basescu, der vor Beginn seiner politischen Laufbahn Schiffskapitän war, hatte seinen Wahlkampf als beinharten Machtkampf bestritten. Nach dem Auseinanderbrechen der Koalition aus Liberaldemokraten und Sozialdemokraten blockierte Basescu unter konsequenter Mißachtung des parlamentarischen Mehrheitswillens die Bestellung des Bürgermeisters von Sibiu, Klaus Johannis, zum neuen Regierungschef. Die neue Parlamentsmehrheit aus Sozialdemokraten und Nationalliberalen lehnte umgekehrt jeden vom Präsidenten genannten Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten ab. Damit dümpelt der von der globalen Finanzkrise ohnehin arg gebeutelte Balkanstaat - die Wirtschaftsleistung ging um neun Prozent zurück - seit Wochen ohne Regierung vor sich hin. Der IWF hat aufgrund der unklaren politischen Situation die Teilzahlungen seines sich auf 20 Millionen Dollar belaufenden Rettungspakets eigestellt.

Die rumänischen Wähler scheinen in ihrer Mehrheit an Basescus rücksichtslosen Machtdemonstrationen durchaus Gefallen gefunden zu haben. Im Konflikt zwischen einer zunehmend autoritären Präsidialmacht und dem Parlament vertrauen sie eher dem Präsidenten. Basescus Selbstbild als einsamer Kämpfer gegen eine korrupte politische Klasse dürfte durchaus Anklang finden. Entsprechend fiel das vom Präsidenten angeregte Referendum über die Abschaffung der zweiten Parlamentskammer und eine Verkleinerung der Volksvertretung aus. 90 Prozent der Teilnehmer an der Abstimmung unterstützten diese Initiative. Daß Basescu nun auch die Präsidentenwahlen gewonnen hat, stellt für die Demokratie in Rumänien eine echte Bedrohung dar.

* Aus: junge Welt, 8. Dezember 2009


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