Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Rettung statt Pleite

Lasche Aufsicht, "illegale Geschäfte", Notbremse: Portugal schiebt Banco Espírito Santo Milliarden aus Troika-Fonds zu. Brüssel sagt: Alles okay *

Es war eine Aktion mit Ansage: Portugal bewahrt mit einem Milliardenkredit die angeschlagene Banco Espírito Santo (BES) vor der Insolvenz. In der Nacht zum Montag teilte die Zentralbank des EU- und Euro-Mitgliedslandes zudem mit, das Geldhaus werde in einen »guten« und einen »schlechten Teil« (Bad Bank) aufgespalten. Eine Finanzierungsquelle haben die Währungshüter des krisengeplagten Staates auch gefunden: Es waren noch »Troika«-Gelder da. 78 Milliarden Euro hatten EU, Europäische Zentralbank und Internationaler Währungsfonds vor zwei Jahren bereitgestellt. Ziel war es, damit eine Staatspleite zu vermeiden. Im Gegenzug mußte sich die portugisische Regierung zu einschneidenden Etatkürzungen und diversen Privatisierungen (»Sparprogramm«) verpflichten. Etwa sechs Milliarden Euro seien übrig, hieß es aus Lissabon. Davon würden nun 4,9 Milliarden in einen Abwicklungsfonds für die BES geschoben, der bereits 2012 gegründet worden war. Der Fonds soll nun den notwendigen Bedarf an frischem Kapital für den »guten« Teil der BES decken.

Für den angeblich erfolgreichen Kampf gegen die Finanz- und Schuldenkrise in EU und Euro-Zone ist die erneute Feuerwehraktion kein gutes Zeichen. Wieder sieht sich der Staat genötigt, ein strauchelndes – privates – Finanzinstitut vor dem Zusammenbruch zu bewahren. Portugal war erst im Mai unter entsprechender PR-Begleitung aus der Obhut des »Europäischen Rettungsschirms« entlassen worden. Das Land galt als saniert und durfte wieder Kredite am »freien Markt« aufnehmen.

Auch für den aktuellen Staatseingriff in einen marktwirtschaftlichen Prozeß, braucht es wieder einer schlüssige »Erzählung«. Die lautet diesmal: Für die Aktion würden weder der Staat noch die Einlagenbesitzer der Bank zur Kasse gebeten. Das sagte Zentralbankpräsident Carlos Costa laut dpa auf einer Pressekonferenz in Lissabon. Es handele sich nur um einen vorübergehenden Kredit an das Institut. Bei einem späteren Verkauf des guten Teils der Bank an private Investoren erhalte Portugal das Milliardendarlehen zurück. Die schlechte Nachricht wird erneut unterdrückt: Vermeintlich wichtige Banken bleiben »unbankrottbar«. Dabei gilt im Kapitalismus eine Pleite grundsätzlich als Ergebnis des Scheiterns im Konkurrenzkampf – und als solches ist sie ein unverzichtbares Kernelement des Systems. Zahlen für einen Bankrott normalerweise die Kapitalisten mit Teilen ihres Vermögens und die Beschäftigten mit ihrem Job, wird bei der »modernen« Version vor allem der Steuerzahler in Haftung genommen – und die Begleichung der Schulden zum Teil weit in die Zukunft verschoben.

Die EU-Kommission sieht das Ganze recht locker und genehmigte den Rettungsplan prompt. Die Maßnahmen entsprächen den europäischen Regeln, teilte die Behörde am Montag mit. Es sei gewährleistet, daß der Wettbewerb in Europa so wenig wie möglich verzerrt werde.

Immerhin will Portugal zumindest die bisherigen Eigner der BES nicht schonen. Zwar würden dem Finanzministerium zufolge »alle Einlagen, alle Bankdienste, alle Arbeitsplätze und die geschäftlichen Beziehungen der Bank« geschützt, aber die Aktionäre müssen Verluste tragen. Dazu gehört neben der Gründerfamilie Espírito Santo (die bereits in den Wochen zuvor ihre Stellung als Hauptaktionär verloren hatte) der französische Finanzriese Crédit Agricole (15 Prozent Stimmanteil). »Sie werden die Verantwortung für die verbleibenden Risiken tragen müssen«, kündigte Costa an, was in der Praxis abzuwarten bleibt.

In die »Bad Bank« sollen die »faulen Kredite und Geschäfte« der BES ausgelagert werden. Im ersten Halbjahr hatte die größte börsennotierte Bank Portugals 3,6 Milliarden Euro Verlust gemacht. Damit war das Kapital offenbar weitgehend aufgebraucht und unter den von der Zentralbank vorgeschriebenen Wert gesunken.

Deutlich wird auch, der Staat ist seiner Aufsichtspflicht nicht nachgekommen. Denn jetzt spricht die Notenbank von »Hinweisen« auf illegale Geschäfte bei der BES. Seit Wochen bereits dringen Details zu den Problemen der Bank und der Familienholding an die Öffentlichkeit. Es scheint, als habe sich der Clan Espírito Santo (»Heiliger Geist«) verspekuliert und dann versucht, Probleme in Teilen der Familienholding mit Hilfe des von ihm kontrollierten Finanzinstituts zu vertuschen. Die 1869 gegründete BES gehörte zum Firmengeflecht des Clans. Die Familie zählte zu den reichsten Oligarchen des Landes, die Mitglieder wurden als »portugiesische Rockefeller« bezeichnet. Bankpräsident Ricardo Espírito Santo Salgado hatte 22 Jahre an der BES-Spitze gestanden. Er war kürzlich abgelöst und danach wegen des Verdachts der Geldwäsche festgenommen worden.

* Aus: junge Welt, Dienstag 5. August 2014


Zurück zur Portugal-Seite

Zur Portugal-Seite (Beiträge vor 2014)

Zurück zur Homepage