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Griechischer Weg für Portugal?

Frisches Geld wird dringend benötigt

Von Ralf Streck *

Die Anleger richten sich darauf ein, dass wohl auch Portugal bald einen Schuldenschnitt benötigen wird.

Der Schuldenschnitt für Griechenland ist noch nicht unter Dach und Fach, da drängt Portugal auf die Tagesordnung. Eigentlich ist seit Monaten klar, dass das Land neben der Nothilfe von 78 Milliarden Euro, die im Mai 2011 mit EU und IWF ausgehandelt wurden, bald frisches Geld aus Rettungsfonds benötigen wird. Das Misstrauen der Anleger zeigt sich bereits deutlich: So wurden zweijährige portugiesische Anleihen am Sekundärmarkt zum Teil schon mit einer Rendite von fast 22 Prozent gehandelt. Zinsen für zehnjährige Papiere lagen bei über 17 Prozent.

Nun, wo sich ein zweites Rettungspaket für Griechenland abzeichnet, hat sich eine gewisse Erleichterung auch für Portugal ergeben. Dazu kam, dass Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble seinem portugiesischen Amtskollegen Vitor Gaspar kürzlich Entgegenkommen bei der Finanzierung zugesichert hatte. »Wenn sich die Notwendigkeit für eine Anpassung des portugiesischen Programms ergibt, werden wir dazu bereit sein«, so Schäuble.

Zwar sind die Renditen für zehnjährige Anleihen Portugals deutlich auf gut zwölf Prozent gefallen, doch sie gelten weiter als »hochspekulatives Eisen«. Anders als Spanien und Italien profitiert Portugal kaum von der Geldschwemme der Europäischen Zentralbank (EZB). Die hatte den Banken im Dezember eine halbe Billion Euro günstig für drei Jahre zur Verfügung gestellt.

Vergangene Woche konnte Portugal dennoch erstmals wieder Anleihen einigermaßen erfolgreich versteigern. Dreimonatige Papiere mit einer kurzen Laufzeit von drei Monaten gingen erstmals wieder zu Renditen unter vier Prozent weg. Doch bei Papieren mit Laufzeiten von zwölf Monaten zeigten sich deutliche Zweifel an dem Land: Es musste mit knapp fünf Prozent die gleichen Zinsen bieten wie im März 2011, kurz bevor die Nothilfe beantragt wurde.

Ohnehin glaubt niemand ernsthaft, dass sich Portugal im nächsten Jahr wieder über die Kapitalmärkte refinanzieren kann. Insgeheim stellt man sich darauf ein, dass auch diesem Land der griechische Weg bevorsteht.

Dass auch Portugal erneut Milliardenhilfen braucht, hatte kürzlich schon das Kieler Institut für Weltwirtschaft in einer Studie dargelegt. Demnach werde über kurz oder lang ein Schuldenschnitt unausweichlich. Der ehemalige Notenbankchef und Ex-Finanzminister des Landes, Jacinto Nunes, hat den zusätzlichen Finanzbedarf des ärmsten Landes Westeuropas schon beziffert: weitere 30 Milliarden Euro. Die Umsetzung der harten Sparauflagen der EU reißt zudem tiefe Löcher in die Haushaltskassen, weil Steuereinnahmen sinken und Sozialausgaben steigen. Wie in Griechenland hat der Sparkurs die Verschuldung weiter explodieren lassen. Die Staatsverschuldung dürfte Ende 2011 bei etwa 110 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gelegen haben. Damit ist Portugal hinter Griechenland und Italien das Land mit der dritthöchsten Verschuldung. 2010 lag es mit 93,3 Prozent noch vor Deutschland.

Verantwortlich dafür ist vor allem die Rezession. Portugals Wirtschaftsleistung schrumpfte im vierten Quartal 2011 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 2,7 Prozent. Offiziell wird erwartet, dass der Sparkurs das Land 2012 erneut etwa drei Prozent der Wirtschaftsleistung kosten wird, und damit steigt die Verschuldung im Verhältnis zum BIP sogar deutlich, auch wenn keine neuen Schulden gemacht würden.

Dazu wird erwartet, dass die portugiesischen Banken 2012 mit Milliarden gestützt und teilweise verstaatlicht werden müssen. Das hat auch damit zu tun, dass auch sie im Sommer die neuen Kapitaldeckungsanforderungen der EU erfüllen müssen. Dass die Aktien der Banken 2011 extrem gefallen sind, zeigt, dass sich kaum Privatanleger finden werden, um die angeschlagenen Institute zu stützen.

Zudem könnte ein Schuldenschnitt für Griechenland die Lage Portugals weiter zuspitzen. »Das Misstrauen der Märkte gegenüber den Anleihen der Peripherieländer wird wieder wachsen«, ist der Direktor des Brüsseler Forschungsinstituts Center for European Policy Studies, Daniel Gros, überzeugt. Portugal werde praktisch von den Anleihemärkten abgeschnitten.

* Aus: neues deutschland, 21. Februar 2012


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