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Mehr Frust als Frieden

Philippinen: Moro-Rebellen werfen Regierung Verwässerung von im März geschlossenen Friedensvertrag vor

Von Rainer Werning *

Auf den Philippinen mehrt sich bei der Moro Islamischen Befreiungsfront (MILF) die Unzufriedenheit über die geringen Fortschritte beim Aufbau einer autonom verwalteten Region für die muslimische Bevölkerung. Am vergangenen Wochenende sprachen führende Persönlichkeiten der MILF sogar davon, daß »der Mindanao-Friedensprozeß gefährdet« sei.

Am 27. März war im Präsidentenpalast Malacañang der Hauptstadt Manila der Friedensvertrag zwischen der Regierung und der bedeutendsten muslimischen Rebellenorganisation unterzeichnet worden. Nach über 40 Verhandlungsrunden im Zeitraum von 17 Jahren unter der Schirmherrschaft der malaysischen Regierung war das »umfassende Abkommen über die Schaffung der Region Bangsamoro« – was wörtlich übersetzt »Land der Moros«, der muslimischen Bevölkerung, heißt – besiegelt worden.

Die Verhandlungsführer beider Seiten, Miriam Coronel-Ferrer für die Regierung und Mohagher Iqbal für die MILF, sprachen von einem »historischen Meilenstein«. Dem Vertrag war Mitte Oktober 2012 eine Rahmenvereinbarung vorausgegangen, die vorsah, die Aufteilung von Steueraufkommen und politischen Machtbefugnissen zu regeln. Bis Ende Januar sollte darüber Einigkeit erzielt werden. Parallel war eine 15köpfige Übergangskommission unter dem Vorsitz von Mohagher Iqbal beauftragt worden, den Entwurf eines entsprechenden Bangsamoro-Grundgesetzes (BBL) auszuarbeiten. Dieses sollte schnellstmöglich an das Präsidialamt weitergeleitet werden, damit Präsident Benigno Aquino III. es den Kongreßabgeordneten und Senatoren als eilbedürftiges Gesetz zur Ratifizierung vorlegen könnte.

Nach der Vertragsunterzeichnung hatte die Regierung signalisiert, der Entscheidungsprozeß könnte in beiden Kammern bis Ende des Jahres abgeschlossen werden. Wäre das der Fall, stünde als nächster Schritt im ersten Quartal 2015 ein Plebiszit an. Abzuhalten wäre es in den Gebieten der heutigen »Autonomen Region Muslimisches Mindanao« (ARMM) sowie in weiteren Gemeinden, Dörfern und Städten der Provinzen Lanao del Norte, Nordcotabato und Basilan.

Zuletzt würde im Zuge der im Frühjahr 2016 anstehenden Präsidentschafts-, Gouverneurs- und Kongreßwahlen über eine tragfähige, autonome Regionalregierung abgestimmt werden. Bis dahin will sich die MILF als politische Partei konstituiert und ihre Einheiten in die neue Bangsamoro-Polizei umgewandelt haben.

Doch bis dato ist so gut wie nichts geschehen. Einerseits ist Präsident Aquino wegen der größten Korruptionsaffären der jüngeren Geschichte des Landes politisch angeschlagen. Andererseits beanstandeten Juristen des Präsidialamtes das eingereichte BBL und versahen es mit Änderungswünschen, die es seitens der MILF-Führung zu berücksichtigen gelte. Kernpunkt ihrer Kritik sind verfassungsrechtliche Bedenken.

Inner- wie außerhalb der MILF mehren sich dagegen Stimmen, die der Regierung Unredlichkeit vorwerfen. Man könne nicht verhandeln und das einmal Ausgehandelte erneut auf die Agenda setzen. Coronel-Ferrer versuchte derweil zu beschwichtigen. »Wir müssen zusehen«, sagte sie am Wochenende, »daß sich das BBL innerhalb der Parameter der Verfassung bewegt«. Tatsächlich haben frühere ähnliche Verhandlungen mit der rivalisierenden Moro Nationalen Befreiungsfront (MNLF) dazu geführt, daß von einer »Befreiungsfront« nur eine von der Regierung gegängelte Bewegung übrigblieb.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 29. Juli 2014


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