Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

IS auf den Philippinen?

Regierung in Manila verhandelt mit MILF-Rebellen über Frieden. Doch andere bekennen sich zum »Islamischen Staat«

Von Rainer Werning *

Immer enger werden seit dem Frühjahr die Kontakte zwischen dem dschihadistischen »Islamischen Staat« (IS, vormals ISIS/ISIL) und Gesinnungsgenossen in Südostasien. Neben Indonesien ist dabei vor allem der Süden der Philippinen ins Zentrum von Propagandisten und Rekruteuren des IS gerückt. Mit der Abu-Sayyaf-Gruppe (ASG) hat dort eine militante Organisation bereits mehrfach international für Schlagzeilen gesorgt. Deren Gründungsmitglieder hatten bereits als »Mudschahedin« in Afghanistan gegen die sowjetischen Truppen gekämpft. Im Sommer 2000 bestimmte die ASG auch in Deutschland wochenlang die Schlagzeilen, als einige ihrer Kommandeure auf der südphilippinischen Insel Jolo unter anderem Mitglieder der Familie Wallert aus Göttingen gefangenhielten und diese erst nach hohen Lösegeldzahlungen wieder auf freien Fuß setzten.

Mehrere Großoffensiven von philippinischen Eliteeinheiten und US-Spezialkräften in der Region vermochten es nicht, die ASG aufzureiben. Im Gegenteil: Gut gelaunt und quietschfidel zeigte sich erst kürzlich Isnilon Hapilon, ein führender Befehlshaber der Organisation, in einem am 23. Juli hochgeladenen Youtube-Video. Fünf Millionen US-Dollar Kopfgeld sind auf seine Ergreifung ausgesetzt. Seine Videobotschaft, Arm in Arm mit vermummten Gesinnungsgenossen vorgetragen, war kurz und knapp: Er und seine Gefolgschaft bekennen sich zum IS und geloben, dieser Organisation und ihrer Führung vorbehaltlos zu folgen.

Seit etwa Anfang Juni sind laut zuverlässigen Quellen zufolge in Zamboanga, einer Stadt im Südwestzipfel von Mindanao, mehrere vorwiegend jugendliche Moros dafür begeistert worden, sich dem IS anzuschließen. Von der Hafenstadt Zamboanga aus setzten sie mit regelmäßig zwischen den Philippinen und Malaysia verkehrenden Fähren nach Sandakan im nahegelegenen ostmalaysischen Bundesstaat Sabah über. Von da aus ging ihre Reise direkt oder über einen Umweg via Iran in den Irak und nach Syrien. Die Zahl dieser IS-Sympathisanten ist nicht genau auszumachen, geschätzt wird sie zum jetzigen Zeitpunkt auf 100 bis 200 Personen.

Neben der ASG haben zwischenzeitlich auch führende Kader der »Bangsamoro Islamischen Befreiungsbewegung« (BIFM) sowie ihres militärischen Arms, der »Bangsamoro Islamischen Befreiungskämpfer« (BIFF), Unterstützung für den IS signalisiert. BIFM-Sprecher Abu Misry Mama bestätigte am 22. August eine via Mobiltelefon und Internet hergestellte Allianz zwischen seiner Organisation und dem »Islamischen Staat«. Allerdings schloß er aus, daß BIFF-Rekruten Trainingslager in Irak oder Syrien durchlaufen. Bis dato würden auch keine Kombattanten der BIFF Seite an Seite mit den Milizen des IS kämpfen.

Die Hinwendung der ASG und der BIFM/BIFF zum IS ist gleichzeitig ein öffentlicher Affront gegen den laufenden Friedensprozeß zwischen der Regierung der Philippinen und der von Al-Haj Murad Ebrahim und Mohagher Iqbal geführten »Moro Islamischen Befreiungsfront« (MILF). Von dieser hatte sich die BIFM/BIFF schon 2008 mit dem Argument abgespalten, die MILF habe das ursprüngliche Ziel eines unabhängigen Moro-Staates aus den Augen verloren. Am 27. März schlossen die Regierung in Manila und die MILF schließlich nach jahrelangen Verhandlungen einen Friedensvertrag. Dieser sieht bis Sommer 2016 die Formierung einer autonomen Bangsamoro-Regierung vor, sofern bis dahin ein Bangsamoro-Grundgesetz (BBL) den Kongreß passiert und im kommenden Jahr ein entsprechendes Referendum stattgefunden hat.

Oberwasser bekamen die MILF-Kritiker, als es in der ersten Augusthälfte in Davao, der größten Stadt der Südphilippinen, mehrtägiger Marathonsitzungen bedurfte, um »Nachbesserungen« des BBL-Texts vorzunehmen. Dabei sei die MILF-Führung ein weiteres Mal »eingeknickt«, hieß es.

An der MILF selbst gehen die Entwicklungen der vergangenen Wochen offensichtlich nicht spurlos vorbei. Auf ihrer offiziellen Website luwaran.com publizierte sie in dieser Woche ein nicht namentlich gezeichnetes Editorial, in dem Verständnis für die Kritik an der US-Nahostpolitik gekoppelt ist mit dem Werben für die eigene Position. Ohne die MILF, so das Fazit des Kommentars, würden die Schleusen für eine neuerliche Gewalteskalation im Süden weit geöffnet.

* Aus: junge Welt, Freitag 29. August 2014


Zurück zur Philippinen-Seite

Zur Philippinen-Seite (Beiträge vor 2014)

Zurück zur Homepage