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Friedenskurs im Zickzack

Im Süden der Philippinen verständigen sich die Konfliktparteien mal wieder aufs Reden – wie lange nur?

Von Rainer Werning *

Nach einjährigem Stillstand der Friedensverhandlungen zwischen der Regierung der Republik der Philippinen (GRP) und der Moro Islamischen Befreiungsfront (MILF) verständigte man sich in beidseitigem Interesse, den Gesprächsfaden erneut zu knüpfen. Am 15. September unterzeichneten die Chefunterhändler beider Seiten, Rafael E. Seguis und Mohagher Iqbal, in Malaysias Hauptstadt Kuala Lumpur eine Rahmenvereinbarung über die Bildung einer Internationalen Kontaktgruppe (ICG) zur Unterstützung des GRP-MILF-Friedensprozesses. Durch eine erweiterte Internationalisierung und Einbindung von NGOs soll erreicht werden, daß sich wenigstens die Lebenssituation der zwischen die Frontlinien geratenen Flüchtlinge verbessert. Zum Jahresbeginn hatte das in Genf beheimatete Internal Displacement Monitoring Center (es registriert weltweit die Zahl von Binnenflüchtlingen) ermittelt, daß allein über 600000 Menschen im Süden der Philippinen auf der Flucht waren. Auslöser waren rasch eskalierte militärische Auseinandersetzungen zwischen den Konfliktparteien, nachdem Anfang August 2008 ein wichtiges Abkommen als Vorstufe einer dauerhaften Friedensregelung scheiterte (siehe jW vom 25.09.09). Die Chefunterhändler Seguis und Iqbal bezeichneten die jetzige Vereinbarung als einen »Durchbruch« und werteten sie als notwendigen Schritt, um die formalen Friedensgespräche wiederzubeleben.

Gemäß der Rahmenvereinbarung genießt die ICG den Status einer von den Konfliktparteien akkreditierten Ad-hoc-Gruppe. Deren Mitglieder rekrutieren sich aus Drittländern – vorzugsweise aus der Organisation der Islamischen Konferenz und der Europäischen Union –, renommierten internationalen NGOs und schließen angesehene Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens ein, die den Friedensprozeß intensiv begleiten und vertrauensbildend wirken. Konkret ist daran gedacht, zu künftigen Direktgesprächen der Protagonisten Beobachter zu entsenden und den gemeinsamen Gedankenaustausch durch Rat und Tat zu fördern.

Auf Mindanao, neben den Inseln Basilan und Jolo einer der Hauptschauplätze des Krieges im Süden der Philippinen, wurde die Rahmenvereinbarung von säkularen wie kirchlichen Verbänden weithin begrüßt. Die in Davao City ansässige Solidaritätsorganisation Initiatives for International Dialogue (IID), die sich dem Süd-Süd-Dialog sowie der Friedensarbeit und dem Demokratisierungsprozeß in Mindanao, Myanmar (Burma), Osttimor, Südthailand, Aceh und West-Papua verpflichtet fühlt, drängt nunmehr darauf, daß vor allem Organisationen wie die Globale Partnerschaft zur Vermeidung von bewaffneten Konflikten in Südostasien (GPPAC-SEA) und das Weltforum für Demokratisierung in Asien (WFDA) als internationale NGOs in die Kontaktgruppe aufgenommen werden. Handelt es sich bei der 2003 gegründeten GPPAC um ein globales Netzwerk der Zivilgesellschaft mit Erfahrungen beim Aufbau von Friedensstrukturen, so unterstützt die WFDA demokratische Initiativen und schützt Menschenrechtsaktivisten bei Friedensprozessen in der Region. Die IID beabsichtigt überdies, sich gemeinsam mit Partnerorganisationen auf Mindanao wie den Mindanao PeaceWeavers für die Schaffung einer Nationalen Kontaktgruppe einzusetzen.

Außerdem einigte man sich in der unter malaysischer Schirmherrschaft zustande gekommenen Rahmenvereinbarung vom 15. September darauf, die von beiden Seiten bereits im Juli signalisierte Aussetzung militärischer Offensiven beziehungsweise militärischer Aktionen einzuhalten, das im August 2008 zu Fall gebrachte vorläufige Friedensabkommen zumindest als ein bislang nicht unterzeichnetes Dokument zu betrachten und letztlich auf eine politisch ausgehandelte friedensvertragliche Regelung (comprehensive compact) hinzuarbeiten.

Sollte all das dazu beitragen, die prekäre Sicherheitslage zu deeskalieren und die geschundene Zivilbevölkerung besser zu schützen, bedeutete die Rahmenvereinbarung zumindest eine modifizierte Neuauflage des Internationalen Monitoring-Teams (IMT). Das IMT, der Mitglieder aus Malaysia, Brunei, Libyen und Japan angehörten, hatte den Friedensprozeß auf Mindanao bis zum Sommer 2008 begleitet und mit dazu beigetragen, daß bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen Regierungstruppen und dem Moro-Widerstand spürbar zurückgingen. Doch Ende 2008 terminierte das IMT seine Präsenz vor Ort, weil der Oberste Gerichtshof der Philippinen Mitte Oktober 2008 das August-Abkommen als nicht verfassungskonform eingestuft hatte und die Kontrahenten zwischenzeitlich wieder zu den Waffen gegriffen hatten. So bedeutsam die jetzt avisierte erweiterte Internationalisierung des Friedensprozesses ist – bitteres Vermächtnis seit Mitte der 1970er Jahre bleibt die Tatsache, daß Manila mit dem Moro-Widerstand mehrfach einen Frieden vereinbarte, diesen jedoch letztlich militärisch erzwingen wollte.

* Aus: junge Welt, 1. Oktober 2009


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