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Rochaden auf den Philippinen

Repräsentanten der politischen Dynastien und Showbusiness-Vertreter siegen bei Halbzeitwahlen

Von Rainer Werning *

Allgegenwärtig auf den Philippinen ist und bleibt der Schatten des 1989 im hawaiischen Exil verstorbenen Diktators Ferdinand E. Marcos. In dessen Heimatprovinz Ilocos Norte fuhren Witwe Imelda und Tochter Imee bei den Wahlen in der Mitte der sechsjährigen Amtszeit von Präsident Benigno Simeon Aquino III. Mitte Mai haushohe Siege ein – als wiedergewählte Kongreßabgeordnete beziehungsweise Gouverneurin. Marcos-Sohn »Bongbong« gehört bereits seit Sommer 2010 dem Senat an.

Mit Paolo Benigno »Bam« Aguirre Aquino IV. wurde ein Cousin des seit 2010 amtierenden Präsidenten einer von zwölf Senatoren. Ebenfalls schaffte der Sohn von Expräsident Joseph E. Estrada (1998–2001), Joseph Victor »JV« Ejercito, den Sprung in den Senat. Nancy Binay, Tochter des amtierenden Vizepräsidenten Jejomar Binay, gelang das ebenfalls. Sie bezeichnete sich nach ihrem Sieg selbst als »Coke Zero« im Vergleich zu ihrem als »Coke Light« eingestuften Vater. Etlichen Kommentatoren blieb darob die Spucke weg; sie fragten sich, wer da eigentlich mit welchem (Sach-)Verstand in den Senat einzieht. Mit Grace Poe, der Tochter des einst überaus populären Schauspielers Fernando Poej Junior, gelang es einer weiteren Frau, Senatorin zu werden.

Dem Kongreß gehören erneut mehrheitlich Personen aus alteingesessenen Feudalclans an. Hervorstechend ist hier insbesondere Gloria Macapagal Arroyo. Die Lady verbringt aufgrund diverser Anklagen wegen Amtsmißbrauchs, Veruntreuung von Steuergeldern und anderer Delikte seit Monaten einen zwangsverordneten, wiewohl privilegierten Aufenthalt im Veterans Memorial Medical Center in Quezon City. In ihrer Heimatprovinz Pampanga verteidigte sie erfolgreich ihren Sitz im Abgeordnetenhaus. Manny Pacquiao, die Ikone des philippinischen Boxsports, behielt ebenfalls sein Mandat als Kongreßabgeordneter der Provinz Sarangani, deren Vizegouverneurin nun seine Frau Jinkee wurde.

Was die Bürgermeisterposten und Stadträte betrifft, sind die Resultate auf Mindanao besonders schrill. Rodrigo R. Duterte, ein »Law and order«-Mann in Davao City, avancierte erneut zum Bürgermeister, dessen Vize nunmehr sein Sohn Paolo wird. Zuvor war es Tochter Sara Duterte, die ihren Vater im Amt beerbt hatte, diesmal aber zu seinen und ihres Bruders Gunsten »abstinent« blieb. In den Provinzen Sultan Kudarat und Maguindanao buhlten zwei einst befreundete, doch mittlerweile seit Jahren miteinander im Clinch liegende Familiendynastien um die Gunst des Wahlvolks – die Mangudadatus und die Ampatuans. Die Clanchefs der Ampatuans sitzen seit Ende 2009 in Haft. Sie sind angeklagt, 58 Personen – darunter 32 Medienleute – umgebracht zu haben, die im November 2009 einen Sproß der Mangudadatus auf dem Weg zur Wahlregistrierung begleitet hatten. Als Gouverneur von Maguindanao wiedergewählt wurde Esmael Mangudadatu, während sich 23 Mitglieder des Ampatuan-Clans in verschiedenen Orten der Provinz als Bürgermeister, Vizebürgermeister oder Stadträte behaupteten.

Die politische Stehauffigur par excellence ist und bleibt zweifellos Expräsident Joseph Estrada, der wegen Korruption und Vorteilsnahme vorzeitig aus dem Amt gejagt, langjährig unter Hausarrest gestellt, schließlich rechtskräftig verurteilt, sodann aber von seiner Nachfolgerin begnadigt worden war. Bei der Präsidentschaftswahl 2010 landete »Erap« – so sein Kosename – hinter Aquino III. auf dem zweiten Platz. Diesmal wurde er zum Bürgermeister von Manila gewählt.

Diese Ergebnisse brachten einige stockfrustrierte Filipinos dermaßen in Wallung, daß sie im Internet ein gefälschtes Time Magazin-Cover zirkulieren ließen mit dem Titel: »Filipinos sind die dümmsten Wähler.«

* Aus: junge Welt, Dienstag, 4. Juni 2013


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