Getrieben von blanker Not
Philippinische Landlose fordern eine gerechte Landreform
Von Armin Paasch*
In den Philippinen wollen morgen Bauern für eine schnellere Landreform demonstrieren. In der Kritik
steht auch die deutsche Bundesregierung, deren Engagement für die ländliche Entwicklung
nachgelassen hat.
Zehn Jahre ist es her, da wagten es einige Bauernfamilien auf der phi-lippinischen Halbinsel
Bondoc, ein Stück Land der Großgrundbesitzerfamilie Uy einzufordern, das ihnen gesetzlich zusteht
– bislang ohne Erfolg. Statt dessen sind sie Opfer vielfacher Menschenrechtsverletzungen seitens
der Gegner der Landreform geworden. »Einschüchterung, Vertreibung, die Zerstörung von Ernten
und physische Gewalt sind an der Tagesordnung. Vier Bauernführer der Region wurden in den
letzten drei Jahren ermordet«, erklärt Yifang Tang von der Menschenrechtsorganisation FIAN
International. »200 Familien leiden Hunger, weil sie 60 Prozent ihrer Ernte an den
Großgrundbesitzer abtreten müssen.« In einer internationalen Briefkampagne zum gestrigen Tag
der Landlosen forderte FIAN die philippinische Regierung auf, die Landreform zu beschleunigen und
die Bauern zu schützen.
Für morgen haben die Bauern in der Hauptstadt Manila Protestaktionen gegen die Regierung
angekündigt. Getrieben werden sie von blanker Not: Laut Angaben der asiatischen
Entwicklungsbank ist in den Philippinen immer noch jeder Dritte von Armut betroffen; drei Viertel von
ihnen leben auf dem Land – paradoxerweise also dort, wo die Nahrung produziert wird. Über das
Agrarreformprogramm CARP sind seit 1988 zwar sechs von zehn Millionen Hektar Agrarland an die
Bauern verteilt worden. Dabei handelt es sich aber größtenteils um Staatsland, die mächtigen
Großgrundbesitzer blieben weitgehend verschont.
Geht es nach der Präsidentin Gloria Macapagal Arroyo, wird dies auch so bleiben. Sie setzt
zunehmend darauf, dass Landbesitzer den Boden freiwillig zu Marktpreisen an die Bedürftigen
verkaufen. Dass dieses von der Weltbank geförderte Modell nicht funktioniert, haben Erfahrungen in
Kolumbien, Brasilien und Südafrika in den vergangenen Jahren jedoch hinlänglich gezeigt. Aufgrund
überhöhter Preise, marginaler Lage und mitunter schlechter Qualität des Bodens sind die meisten
Begünstigten nicht in der Lage, ihre Schulden zurückzuzahlen und der Armut zu entkommen.
In der Kritik der Bauern steht allerdings nicht nur die philippinische, sondern auch die deutsche
Regierung. Bis 2003 hatte die deutsche Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) die
Pächter in Bondoc erfolgreich darin unterstützt, ihre rechtlichen Ansprüche auf Land geltend zu
machen. Aufgrund von Budgetkürzungen hat sie diese Unterstützung allerdings komplett eingestellt,
ohne Schutzmaßnahmen für die ehemaligen Begünstigten zu ergreifen. Laut Michael Boguslawski,
dem ehemaligen Leiter des GTZ-Projekts, hätte ein Schutzprogramm für nur 300 000 Euro einige
der Menschenrechtsverletzung möglicherweise vereiteln können. Doch spiegelt der Rückzug der
GTZ aus Bondoc nur das seit Jahren sinkende Engagement des deutschen
Entwicklungsministeriums (BMZ) für die ländliche Entwicklung wider.
* Aus: Neues Deutschland, 18. April 2006
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