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Mord nach Protest

Philippinen: Armee bekämpft Widerstand gegen Bergbauprojekt eines Schweizer Konzerns

Von Michael Reckordt und Rainer Werning *

In den frühen Morgenstunden des 18. Oktober befanden sich Juvy Capion und ihre beiden acht und dreizehn Jahre alten Söhne John und Jordan in ihrer Nipahütte in Datal Aliong, einem entlegenen Dorf in der südphilippinischen Gemeinde Kiblawan, als gegen 6.30 Uhr Soldaten des 27. Infanteriebataillons der Armee die Behausung zehn Minuten lang unter Beschuß nahmen und die drei töteten. Juvys Ehemann, Daguil Capion, das eigentliche Ziel dieser militärischen Aktion, gelang die Flucht. Capion ist Vorsitzender der lokalen Gemeinschaft der indigenen B’laan. Ausgerechnet auf deren Terrain möchte der schweizerische Bergbaukonzern Xstrata mit seiner philippinischen Tochter Sagittarius Mines, Inc. (SMI) das Tampakan-Kupfer-Gold-Projekt als offenen Tagebau betreiben. Umgerechnet 5,9 Milliarden US-Dollar will SMI, an der Xstrata 62,5 Prozent der Aktien und die Managementkontrolle hält, in der Region investieren, um jährlich 375000 Tonnen Kupfer und 360000 Unzen Gold zu fördern. Doch erst kürzlich mußte der Beginn dieses ambitionierten Unterfangens um zwei Jahre auf 2018 verschoben werden. Vor Ort regt sich immer massiverer Widerstand gegen das Projekt.

Der beabsichtigte Abbau soll überdies in einem Erdbebengebiet erfolgen, wodurch Rückhaltebecken mit giftigem Schlamm bersten könnten. In dieser vorwiegend von Landwirtschaft geprägten Region würde eine Umweltkatastrophe die Menschen dauerhaft ins Elend stoßen. Anläßlich einer offiziellen Vorstellung der Umweltverträglichkeitsprüfung im September 2011 war SMI ebenfalls außerstande, die Frage zu beantworten, wie viele Menschen bei einem möglichen Dammbruch durch die Flutwelle sterben würden.

Sobald sich Konzerne wie Xstrata in einer bestimmten Region niederlassen, werden dorthin staatliche Sicherheitskräfte zu ihrem Schutz abkommandiert. Im Zuge wachsender Militarisierung kommt es zu Vertreibungen, Schikanen und anderen Menschenrechtsverletzungen. Bereits am 9. März 2009 war Eliezer Billanes, ein erklärter Bergbaugegner, auf dem Marktplatz der Provinzhauptstadt Koronadal erschossen worden.

Die Indigenen ließen sich trotz Einschüchterungen nicht von ihrem Protest abhalten. Sie warfen Xstrata/SMI vor, das Bergbaugesetz ignoriert zu haben. Dieses sieht ausdrücklich eine »freie, vorherige und in Kenntnis der Sachlage erteilte Zustimmung aller Beteiligten« vor, die allerdings nicht erteilt wurde. Die Lage eskalierte in den vergangenen zwei Jahren. Daguil Capion wußte sich nicht mehr anders als mit Gewalt zu wehren. In seinem Dorf waren zuvor Gräber durch Baumaßnahmen geschändet worden. Mehrfach wurde seine Familie von Soldaten und dem privaten Sicherheitsdienst des Bergbauunternehmens schikaniert. Als erneut Sicherheitskräfte seine Familie bedrohten, soll er zur Waffe gegriffen und drei Personen deren Wachpersonals erschossen haben. Das Militär jagte ihn, doch der Flüchtige konnte in dem unwegsamen Terrain untertauchen.

Der kommandierende Oberstleutnant Alexis Noel Bravo des 27. Infanteriebataillons erklärte, man hätte Hinweise von einem Informanten erhalten, wo sich Capion versteckt halte. »Unsere Truppen wurden beschossen, als wir uns seinem Aufenthaltsort näherten. Also übten wir Vergeltung«. Das philippinische Netzwerk Alyansa Tigil Mina (Allianz gegen Bergbau), das sich für ein stärkeres Mitspracherecht indigener Gemeinschaften bei Bergbauvorhaben einsetzt, verurteilte aufs Schärfste die Erschießung der drei Capion-Familienmitglieder: »Das ist ein barbarischer und heimtückischer Akt des Militärs«, so deren Koordinator Jaybee Garganera. Daguil Capion und seine Familie gehörten keiner Rebellenbewegung an, ihr Engagement gelte einzig und allein »dem Schutz des Landes ihrer Vorfahren«.

Derweil rechnen die Bürgermeister von Kiblawan und Tampakan mit dem Schlimmsten. Sie setzten ein Kopfgeld auf Capion aus, da sie Vergeltung oder gar einen Stammeskrieg gegen ihre Gemeinden befürchten. 300000 Peso, umgerechnet etwa 5500 Euro, haben sie für dessen Ergreifung ausgelobt – tot oder lebendig.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 24. Oktober 2012


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