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Linksnationalist Humala wird Präsident

Knapper Sieg in Peru vor Keiko Fujimori / Wirtschaftswachstum soll soziale Integration fördern

Von Jürgen Vogt, Buenos Aires *

In Peru hat der Linksnationalist Ollanta Humala die Stichwahl um das Präsidentenamt mit knapper Mehrheit gewonnen. Nach Auszählung von fast 90 Prozent der Stimmen kam Humala auf rund 51 Prozent. Keiko Fujimori, Tochter des autokratischen Ex-Präsidenten Alberto Fujimori (1990-2001) erhielt knapp 49 Prozent.

Trotz des knappen Ergebnisses erklärte sich Humala noch am späten Sonntagabend (5. Juni) zum Sieger. Er kündigte die Bildung einer Regierung der nationalen Einigung an. Das Wirtschaftswachstum werde der Motor der sozialen Integration sein, sagte der 48-jährige zukünftige Präsident.

Erste Hochrechnungen privater Umfrageinstitute wiesen Ollanta Humala schon kurz nach Schließung der Wahllokale gegen 16 Uhr als Gewinner aus. Landesweit feierten seine Anhänger bereits auf den zentralen Plätzen der Städte. In der Hauptstadt Lima waren Tausende Menschen auf die Plaza Dos de Mayo gezogen.

Dennoch mussten die Menschen bis 22 Uhr auf die erste offizielle Bestätigung warten. Und was sie zu hören bekamen, war schon ungewöhnlich. Bis auf drei Stellen hinter dem Komma zählte die Leiterin der Wahlbehörde, um den Stimmenvorteil Humalas aufzuzeigen: 50,087 Prozent für Humala und 49,913 für Keiko.

Am Sieg Humalas gibt es jedoch wenig Zweifel. Zunächst waren es vor allem die Stimmergebnisse aus den Städten, deren Auszählungen vorlagen. Hier war mit einem besonders guten Abschneiden von Keiko Fujimori gerechnet worden. So kam sie in der Hauptstadt Lima auf 58 Prozent der Voten. Humalas Hochburgen sind der ländliche Raum, dessen Ergebnisse erst später eintrudeln und seinen Vorsprung noch ein klein wenig ausbauen werden. Vor allem in den südlichen Provinzen liegt Humalas Stimmanteil zwischen 65 und 75 Prozent. Keiko Fujimori war noch vor der Bekanntgabe der ersten offiziellen Stimmenauszählungen vor ihre Anhänger getreten.

Lächelnd aber keineswegs strahlend verweis die 36-Jährige auf die inoffiziellen Hochrechnungen und rief ihre Anhänger zur Verantwortung auf. »Wenn die offiziellen Ergebnisse diese Zahlen bestätigen, werde ich als erste diese Ergebnisse anerkennen«, so Keiko Fujimori, deren kurze Rede wie das Eingeständnis der Niederlage klang. Kurz darauf begannen Arbeiter mit dem Abbau der Bühne und ihre Anhänger zogen ab.

Trotz Wahlpflicht lag die Beteiligung bei 85 Prozent der rund 20 Millionen Wahlberechtigten. Und die hatten sich auch zwischen den beiden Kandidaten entschieden. Entgegen der erwarteten Vielzahl von ungültigen Stimmen waren 95 Prozent der abgegeben Stimmen gültig. Das neue Staatsoberhaupt zieht am 28. Juli in den Präsidentenpalast von Lima ein. Vor fünf Jahren war Humala noch seinem Amtsvorgänger, dem scheidenden Präsidenten Alan García, in der Stichwahl unterlegen.

Peru verzeichnet ein jährliches Wirtschaftswachstum von mehr als sieben Prozent. Dennoch lebt rund ein Drittel der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze. Drei Viertel der 15 Millionen erwerbstätigen Frauen und Männer arbeiten ohne feste Arbeitsverträge und Sozialversicherungen im informellen Sektor.

* Aus: Neues Deutschland, 7. Juni 2011


Linksruck mit Fragezeichen

Stichwahlen in Peru. Humala gewinnt mit hauchdünner Mehrheit. Ankündigungen zu zukünftige Kurs schwammig

Von Benjamin Beutler **


Der Sieger der Stichwahl um das peruanische Präsidentenamt heißt Ollanta Humala. Mit einem Stimmenvorsprung, der dünner nicht hätte sein können, ist der Linksnationalist am Sonntag zum neuen Präsidenten des südamerikanischen 30-Millionen-Einwohnerlandes gewählt worden. »Ihr habt mich gewählt, ihr seid meine Chefs, nur Euch lege ich Rechenschaft ab«, feierte der Kandidat von der Wahlallianz »Gana Perú« (GP) den knappen Wahlsieg. Tausende jubelnde Ollanta-Wähler hatten sich am Wahlabend auf der »Plaza 2 de Mayo« im Zentrum von Lima versammelt, wo sich der 48jährige ausgelassen zum Gewinner der entscheidenden zweiten Wahlrunde erklärte. »Diese Nacht erneuere ich meine Verpflichtung mit dem peruanischen Volk«. In Bluejeans und Hemd gekleidet, kündigte das künftige Staatsoberhaupt eine Politik des »Wachstums mit sozialer Inklu­sion« an.

Das Millimeter-Finish war nichts für schwache Nerven. Kurz vor 22 Uhr hatten erste Stimmauszählungen 50 Prozent (5,956 Millionen Stimmen) für den Exoberst aus Ayacucho ergeben. 49,9 Prozent (5,953 Millionen Stimmen) hatten hingegen für Konkurrentin Keiko Fujimori votiert. Laut Wahlbehörde waren zu diesem frühen Zeitpunkt bereits rund 75 Prozent der abgegebenen Stimmen ausgewertet worden, wobei erstmals elektronische Wahlautomaten zum Einsatz gekommen waren.

Trotz des Minivorsprungs hatte Humala bereits Grund zum Feiern. Denn im bevölkerungsreichen Departamento von Lima, wo rund ein Viertel der Wahlberechtigten lebt, seien alle Wahlzettel ausgezählt worden, erläuterte Leiterin der Wahlbehörde, Magdalena Chú. Und Lima ist die Hochburg der Tochter von Expräsident Alberto Fujimori. Im Rest der Bezirke konnte mit relativer Sicherheit mit einem leichten Vorsprung für Humala gerechnet werden.

Am späten Nachmittag bestätigte sich der Trend. Bei 88 Prozent ausgezählter Stimmen kam Humala laut Wahlbehörde auf 51,2 und Fujimori auf 48,7 Prozent. Eintreffende Wahlurnen aus entlegenen Landregionen hätten das Ergebnis zugunsten des GP-Politikers beeinflußt. Mit 85 Prozent war die Wahlbeteiligung nicht aus dem Rahmen gefallen über eine halbe Million von zwanzig Millionen Stimmberechtigen hatte ungültig gestimmt.

Was von Humala zu erwarten ist, wird wohl erst ab seinem Amtsantritt Ende Juli absehbar sein. Im Gegensatz zu seinem ersten Anlauf für das Präsidentenamt 2006 hatte der studierte Politologe dieses Mal einen Wahlkampf ohne starke Worte bevorzugt. Zu groß war die Sorge, in die politische Schmuddelecke mit Venezuelas Präsidenten Hugo Chávez und seinem polarisierenden »Sozialismus des 21. Jahrhunderts« gestellt zu werden. Auch seine Ankündigungen während der Siegesfeier blieben schwammig: Mit ihm gebe es eine »echte Politik zur Lösung der Probleme Perus in Gesundheit, Bildung, Sicherheitsinfrastruktur ohne Gnade für Korrupte«. Eine offene Wirtschaft und der Markt werde »akzeptiert«, in Industrie und Landwirtschaft stünden hingegen »Transformationen« an, hieß es. Wie sich das von Analysten gefeierte »Wirtschafswunder Peru« künftig auf internationaler Ebene verhalten wird, blieb mit einem Fragezeichen versehen. Im Wahlkampf hatte Humala den seit 2009 bestehenden Freihandelsvertrag (TLC) mit den USA nicht in Frage gestellt. Gleiches gilt für die noch frische Mitgliedschaft des Landes im neugegründeten »Pazifikpakt«, das unter der Ägide Wa­shingtons als Speerspitze gegen den immer selbstbewußteren Staatenbund »Union südamerikanischer Nationen« und die linke »Bolivarischen Allianz für die Völker Unseres Amerikas« (ALBA) in Stellung gebracht wurde.

** Aus: junge Welt, 7. Juni 2011


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