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Noch unentschieden

Am Sonntag wird in Peru ein neuer Präsident gewählt. Alles läuft auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Linksnationalist Humala und Präsidententochter Fujimori hin

Von Benjamin Beutler *

Zwei Tage vor der entscheidenden Stichwahl ist das Rennen um Perus Präsidentenamt weiterhin offen. Auch ein letztes TV-Duell am vergangenen Wochenende zwischen Keiko Fujimori und Ollanta Humala brachte keinem der Kandidaten einen entscheidenden Vorsprung. Geradezu unspektakulär endete die von CNN auf dem gesamten amerikanischen Kontinent übertragene Polit-Reality-Show in einer Pattsituation ohne besondere Vorkommnisse. Als oberstes Motto des Abends im Hauptstadt-Luxushotel Mariott hatten die Wahlkampfteams augenscheinlich das Vermeiden von Fehlern ausgegeben. Die emotionslose Debatte kochte allein dann hoch, wenn es zu gegenseitigen Anschuldigungen in Sachen Vergangenheit beider Kontrahenten kam, der Abend war mehr einstudierter Vortrag über Themen wie Armutsbekämpfung, Wirtschaftspolitik und Korruption denn eine freier Schlagabtausch. Nichtsdestotrotz urteilte der Buchautor und Sohn des Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa, Álvaro, in seiner anschließenden Analyse, allein Linksnationalist Humala habe die »Figur zum Präsidenten«. Die 36jährige Kandidatin von »Fuerza 2011« hingegen habe wie eine hilflose »Studentin« gewirkt.

Beobachter hatten derweil einen harten Kampf um die große Gruppe der noch unentschiedenen Wähler erhofft. Immerhin zwölf Prozent von rund zwanzig Millionen Wahlberechtigten wissen noch nicht, an welcher Stelle sie am Sonntag ihr Kreuz machen werden. Sie könnten die Stichwahl entscheiden. Ohne ihr Votum sehen Umfragen aller Meinungsforschungsinstitute bis zuletzt ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen der Tochter des Expräsidenten Alberto Fujimori und dem Oberst in Ruhestand. Bei der letzten vom Wahlrecht genehmigten Prognose kurz nach dem enttäuschenden TV-Duell, das im übrigen das erste öffentliche Aufeinandertreffen beider Widersacher war, gehen die drei renommiertesten Institute von einem Unterschied weniger Prozentpunkte aus.

»Ipsos-Apoyo« errechnet für Fujimori 50,5 Prozent, Humala würde mit 49,5 Prozent wie schon bei seinem ersten Anlauf im Jahr 2006 nur hauchdünn dahinter dem zweiten Platz landen. Auch »CPI« sieht die einstige First Lady ihres inhaftierten Vaters mit 51,8 Prozent vorne. Allein »Imasen« rechnet den Parteichef von »Gana Perú« mit 50,8 Prozent in den Präsidentenpalast auf der Plaza de las Armas. »Die Umfragen zeigen ein Patt, aber ich habe den Eindruck, daß die politische Wetterlage günstiger für Humala ist«, erklärt Carlos Reyna, Politologe an der Katholischen Universität Lima. War das TV-Duell ein Flop, so könnte doch eine Solidaritätserklärung führender Intellektueller und zuletzt aufflammende Proteste gegen rücksichtslosen Bergbau auf der Zielgeraden für einen Sieg des Linkskandidaten sorgen. Humala werde als Mann des Volkes gesehen, die Unterstützung des im ersten Wahlgang unterlegenen Expräsidenten Alejandro Toledo (2001–2006), der indigene Wurzeln hat, sei von Vorteil, so Reyna. Trotz des Rückhaltes in Lima fehle Fujimori jegliche Unterstützung aus der Welt der Kunst und Kultur. Nicht nur auf dem Land gilt die Millionärin als Kandidatin der Oberschicht und des Polit-Establishments.

* Aus: junge Welt, 3. Juni 2011

»Nie wieder Fujimori«: 15000 gegen Amnestie

»Nie wieder Fujimori« hieß es am vergangenen Donnerstag (26. Mai) auf unzähligen Plakaten, T-shirts und Fahnen in ganz Peru. Zehntausende waren in mehreren Städten des Landes dem Aufruf des Dachverbandes peruanischer Menschenrechtsgruppen gefolgt und warnten vor einer Rückkehr des Expräsidenten Alberto Fujimori und seiner Gefolgschaft in den Regierungspalast, sollte dessen Tochter die Stichwahlen am Sonntag (5. Juni) gewinnen.

Ein Sieg Keiko Fujimoris »wäre die Bestätigung dafür, daß uns weder die Menschenrechtsverletzungen noch die Toten und die Korruption interessieren«, die es während der Regierung ihres Vaters gegeben hat, »sondern nur die Stabilität des ökonomischen Modells«, sagte die Vorsitzende des Dachverbandes der peruanischen Menschenrechtsgruppen, Rocio Silva Santis­teban, bei einer Demonstration in der Hauptstadt Lima, an der sich 15000 Menschen beteiligten. Alberto Fujimori, der das Land zwischen 1990 und 2000 regierte, sitzt momentan wegen 25fachen Mordes, schwerer Korruption und Folter in einem Polizeigefängnis.

Silva Santisteban und ihr Verband befürchten nicht nur, daß Keiko Fujimori als Präsidentin ihren Vater amnestieren könnte. Sie rechnen auch mit Versuchen, bereits verurteilte Regimeanhänger zu begnadigen. In der bisher eher schleppend verlaufenden juristischen Aufarbeitung der Menschenrechtsverletzungen und Korruptionsskandale der Regierung Fujimori sind insgesamt 58 Urteile wegen Mord und Entführung von Personen erfolgt. Gegen 400 höhere Militärs und Polizisten laufen aktuell Gerichtsverfahren. Geht es nach Rafael Rey, könnten diese bald eingestellt werden. Der Vizepräsidentschaftskandidat von Fujimori hat bereits angekündigt, eine Initiative für ein Amnestiegesetz auf den Weg bringen zu wollen. (js)

** Aus: junge Welt, 3. Juni 2011




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