Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Ölsuche bedroht Titicaca-See

Peruanische Staatsfirma vergab Bohrlizenzen unweit von Südamerikas größtem See

Von Benjamin Beutler *

Umweltschützer und Anrainer des von Peru und Bolivien verwalteten Titicaca-Sees sind besorgt. Unweit des Sees wurde ein großes Areal für die Suche nach Erdöl freigegeben.

Kristallklares Wasser in dünner Höhenluft für die Anden-Touristen und Fischfanggrund und Heiligtum für die Einheimischen - der Titicaca-See. Auf der Sonneninsel soll einst der erste Inka Macu Cápac vom Himmel herab gestiegen sein und sein Riesenreich begründet haben. Doch das Naturidyll am höchstgelegenen schiffbaren See der Welt könnte bald Geschichte sein.

Hinter verschlossenen Türen hatte Perus staatliche Ölfirma Perúpetro (PP) seit 2008 mit internationalen Konzernen verhandelt. Mitte April 2009 vergab das Staatsunternehmen die umstrittenen Lizenzen. Doch erst jetzt gab man bekannt: Das Konsortium Pluspetrol-Petroperú-Reliance, eine Tochterfirma der chinesisch-peruanischen Perú-Sapet sowie die kolumbianische Grupo Petrolero Suramericano (SAC) bekamen den Zuschlag. Bei den Gebieten 155 (347 000 Quadratmeter in den Provinzen Azángaro, San Antonio, Huancané, Moho) und 156 (474 615 Quadratmeter in den Provinzen Puno, El Collao, Chucuito) handele es sich »ausschließlich um überirdische Gebiete«, der See selbst sei durch Ölerkundung und -förderung nicht gefährdet, versuchte eine Erklärung von PP die Befürchtungen von Bürgern und Politikern zu entkräften. Doch die sehen das 1978 eingerichtet Nationalreservat Titicaca in Gefahr, wo auf 36 136 Hektar eine riesige Artenvielfalt lebt: Die Förderzone 155 liegt genau hier.

»Für die Region Puno sind die Konzessionen eine Beleidigung, weil die betroffene Verwaltung und Bevölkerung über das Verfahren nicht informiert worden sind«, beschwert sich Víctor Paredes, Chef des Regionalen Energie und Minendirektoriums Puno (DREM) über Rücksichtslosigkeit und fehlende Transparenz. Mit Demonstrationen und Protestschreiben werde man das vom Raubbau bedrohte Gebiet gegen die »Politik der Zentralregierung hinter dem Rücken des Volkes« zu verteidigen wissen, kündigt Paredes an. Zudem werde man auch den Rechtsweg gehen, da das Naturreservat gesetzlich geschützt sei.

Auch aus dem Nachbarland Bolivien kommt Kritik. Da es sich um »eine internationale Frage« handele, müsse Lima die zuständigen Stellen in La Paz konsultieren, ärgert sich Erdölminister Oscar Coca über den Alleingang. »Nachzuschauen, ob es vermarktbares Öl im Titicaca-See gibt oder nicht, ist keine gute Idee, da der See von Bolivien und Peru gemeinsam verwaltet wird«, meint auch der bolivianische Analyst Carlos d'Arlach.

»Es gibt doch überall im Land Öl, das Seegebiet muss nicht gefährdet werden. Mehr Geld bringt uns hier doch der Tourismus - und der ist ewig«, bringt ein Erdöl-Gegner in einem Leserbrief die verbreitete Angst vor einem Rückgang des florierenden Geschäfts mit Naturliebhabern aus aller Welt auf den Punkt. Auch die Fischer haben Angst vor der Vergiftung ihrer Bestände. Bei Bohrungen werden immer wieder umweltschädliche Ölbestandteile frei - etwa polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK).

Lexikon - Titicaca-See

Der Titicaca-See (spanisch Lago Titicaca) erstreckt sich im südlichen Abschnitt der Grenze zwischen Peru und Bolivien in 3810 Metern Höhe über eine Fläche von 8288 Quadratkilometern. Er ist nicht nur der größte natürliche See Südamerikas, sondern auch einer der drei höchstgelegenen der Welt. Die isolierten Lage des Sees (es gibt nur einen Abfluss) und die speziellen klimatischen Bedingungen sorgen für eine einmalige Tierwelt. Zu der gehören der Titicaca-Taucher, ein nicht flugfähiger Vogel, und der Titicaca-Riesenfrosch, der vorwiegend über seine faltige Haut atmet.



* Aus: Neues Deutschland, 28. September 2009


Zurück zur Peru-Seite

Zur Umwelt-Seite

Zur Seite "Erdöl, Gas und andere Ressourcen"

Zurück zur Homepage