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Polizeimassaker in Peru

Mehr als 30 demonstrierende Ureinwohner im Landesnorden getötet

Von Jürgen Vogt, Buenos Aires *

In Peru sind am Wochenende bei gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen indigenen Demonstranten und der Polizei mindestens 30 Menschen ums Leben gekommen.

Während die peruanische Regierung den Tod von drei Zivilisten offiziell bestätigte, schwankt die Zahl der dabei getöteten Indianer nach den Berichten der lokalen Medien jedoch zwischen zehn und 25. Die blutigen Auseinandersetzungen hatten am Freitagmorgen (5. Juni) begonnen, als peruanische Spezialeinheiten in der Nähe des Ortes Bagua im Nordosten des Landes mit der Räumung einer von indigenen Demonstranten errichteten Straßenblockade anfingen. Bei der Aktion kamen elf Polizisten ums Leben, rund 150 Menschen wurden verletzt.

Im Laufe des Samstags (6. Juni) besetzten die indianischen Demonstranten daraufhin eine Ölstation der staatlichen PetroPerú. Acht Regierungsgebäude sollen in Brand gesteckt worden sein. Bei der Besetzung waren 38 Polizisten von den Indigenen festgesetzt worden.

Bei einer Befreiungsaktion durch Einheiten der peruanischen Streitkräfte kamen neun der festgehaltenen Polizisten ums Leben. 22 Polizisten wurden befreit, über den Verbleib der restlichen sieben herrscht noch Unklarheit. Auch die Zahl der dabei getöteten Indianer ist nicht bekannt.

»Unser Land ist das Opfer einer subversiven Aggression von denjenigen, die keine Wahlen gewinnen können und die Entscheidungen durch Gewalt herbeiführen wollen«, kommentierte Staatspräsident Alan García Perez die Ereignisse. Führende Vertreter von Indígena-Verbänden warfen Alan García und seiner Regierung dagegen Völkermord vor. Nach ihren Aussagen gingen die Spezialeinheiten der Polizei bei der Räumungsaktion am Freitag brutal und mit dem Einsatz von Schusswaffen gegen die friedlich demonstrierenden Indígenas vor, die zudem von einem Hubschrauber aus beschossen wurden.

Der Vorwurf der Regierung, die indigenen Demonstranten selbst hätten Schusswaffen eingesetzt, was durch die von Kugeln getöteten Polizisten schließlich bewiesen sei, wurde von den Indígenavertretern zurückgewiesen. Die Demonstranten verfügten gar nicht über Schusswaffen, und die Polizisten seien durch Querschläger und das wilde und brutale Vorgehen der eigenen Kollegen getötet worden, so die Antwort.

Die indígenen Gemeinschaften protestieren bereits seit April mit unterschiedlichen Aktionen gegen die Umsetzung eines Freihandelsabkommen mit den USA. Sie wehren sich gegen die darin gemachten Zugeständnisse an transnationale Unternehmen bei der Ausbeutung der Bodenschätze in ihren Lebensräumen. Die Proteste in der peruanischen Amazonasregion halten derweil weiter an. Bei der Ortschaft Yurimaguas blockieren die indigenen Demonstranten weiterhin die Landstraße.

* Aus: Neues Deutschland, 8. Juni 2009


Polizeimassaker in Bagua/Peru **

Nach wochenlangen Protesten der indigenen Bevölkerung Perus ist die Lage in den vergangenen Tagen eskaliert. Bei Zusammenstößen zwischen der Polizei und demonstrierenden Indígenas kamen am Freitag und Samstag (5. und 6. Juni) mindestens 34 Menschen ums Leben, als die staatlichen Einsatztruppen eine Straßenblockade, an der sich bis zu 5000 Menschen beteiligten, in der Nähe der Stadt Bagua gewaltsam beenden wollten. Wie der alternative Rundfunksender La Voz de la Selva berichtete, wurden die Demonstranten zunächst von Hubschraubern aus beschossen, bevor die schwerbewaffneten Polizisten am Boden vorrückten und ebenfalls Schußwaffen einsetzten. Bei den sich daraus entwickelnden Auseinandersetzungen starben offenbar auch mehrere Beamte.

Der von der peruanischen Regierung mit Haftbefehl gesuchte Vorsitzende der wichtigsten Indígena-Organisation Aidesep, Alberto Pizango, zeigte sich gegenüber dem lateinamerikanischen Nachrichtensender TeleSur entsetzt über die brutalen Übergriffe der Polizei: »Wir haben 45 Tage lang friedlich demonstriert und eine solche Reaktion nicht erwartet, vor allem nicht solch einen Luft- und Bodenangriff. Die Regierung hat Kriegswaffen eingesetzt, als wenn wir Verbrecher wären. Deshalb verurteilen die indigenen Völker diesen Vorgang als Völkermord.«

Die Proteste der Indígenas hatten am 9. April begonnen. Sie richten sich gegen Dekrete des peruanischen Präsidenten Alan García, die im Rahmen des zwischen Peru und den USA abgeschlossenen Freihandelsvertrages transnationalen Konzernen den Zugang zu den Öl- und Gasreserven in der Amazonas-Region des Landes öffnen. Die indigenen Gemeinden sehen darin eine Gefahr für ihre Lebensgrundlagen und weisen die »Privatisierung der Wälder und Wasserreserven« zurück.

Sowohl die parlamentarische Opposition als auch der Gewerkschaftsbund CGTP fordern eine Aufhebung der Dekrete des Präsidenten. Als die Regierungsmehrheit im Kongreß am vergangenen Donnerstag jedoch entschied, die zum Thema angesetzte Debatte zu verschieben, kündigten die Indígenas eine »Radikalisierung« der Proteste an. Damit war eine Blockierung der nordperuanischen Ölpipeline gemeint, wodurch große Teile des Landes von der Energieversorgung abgeschnitten worden wären.

Nach dem Massaker von Bagua besetzten empörte Menschen eine Ölförderanlage in der Nähe dieser Stadt und brachten zeitweilig 38 Polizisten in ihre Gewalt. Als die Polizei am Sonnabend (6. Juni) versuchte, die Gefangenen zu befreien, kamen Behördenangaben zufolge neun Polizisten ums Leben, 22 konnten befreit werden, sieben wurden zunächst vermißt. Der Generalsekretär der Peruanischen Kommunistischen Partei (PCP), Roberto de la Cruz Huamán, verurteilte das »von der Regierung des Präsidenten Alan García angeordnete Massaker« scharf. Anstatt auf die Forderungen der Völker Amazoniens einzugehen, greife das Regime zur Gewalt gegen wehrlose Bürger.

** Aus: junge Welt, 8. Juni 2009


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