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Am Tropf der schmelzenden Gletscher

Die Wasserversorgung der peruanischen Hauptstadt Lima steht vor großen Herausforderungen

Von Knut Henkel, Lima *

Lima ist nach Kairo die größte Wüstenstadt weltweit. Doch die peruanische Hauptstadt muss mit deutlich weniger Wasser auskommen als die ägyptische und bekommt den Klimawandel voll zu spüren. Mit internationaler Unterstützung wird an Lösungen gearbeitet.

Kunststofffässer stehen vor den meisten Häusern in Pachacútec. Oft sind sie mit einem Brett und einem schweren Stein abgedeckt, damit der Wind keinen Staub oder Sand in das darin befindliche Wasser bläst. »In Pachacútec sind die städtischen Wasserwerke noch nicht angekommen. Daher müssen die Bewohner ihr Wasser von den Tankwagen kaufen und das kostet«, erklärt Javier del Rio Alba. Der bärtige Bischof hat in dem Stadtviertel am Rande Limas lange als Seelsorger gearbeitet. Vor zehn Jahren, als Pachacútec durch Besetzung der tristen graubraunen Sand- und Geröllhügel entstand, war der Priester der benachbarten Diözese Callao regelmäßig im Einsatz, um den bettelarmen Menschen mit Lebensmitteln und Getränken zu helfen. »Vor allem Wasser war unglaublich knapp, und das ist heute auch noch so«, erklärt der Bischof.

Leitungssystem bis in die Armenviertel

Das soll sich nun endlich ändern. Statt an Tankwagen Schlange zu stehen sowie Eimer und Wasserfässer füllen zu lassen, werden die 150 000 Bewohner von Pachacútec in absehbarer Zeit nur noch den Hahn aufdrehen. »Auch an die Kanalisation werden wir den Stadtteil anschließen«, erklärt Limas oberster Wasserverantwortlicher, Eduardo Ismodes Cascón. Der Ingenieur, der seit gut zwölf Monaten die Städtischen Wasser- und Abwasserunternehmen Limas (Sedapal) leitet. steht vor der Mammutaufgabe, das System zu erweitern und effizienter zu machen. »Dazu gibt es keine Alternative, denn Lima muss langfristig mit weniger Wasser auskommen«, umreißt der frühere Wissenschaftler der päpstlichen Universität Limas das Hauptproblem der peruanischen Hauptstadt. Dazu soll ein modernes Leitungssystem errichtet werden, das auch in den Armenvierteln ankommt.

Für Pachacútec haben die Wasserwerke grünes Licht für den Aufbau von sieben großen Wasserspeichern, mehreren Brunnen und eines Klärwerks gegeben. Parallel dazu wird in den nächsten beiden Jahren das Leitungssystem installiert. Andere Stadtviertel sollen folgen, denn bis 2021 will Sedapal nicht nur alle Haushalte an die Wasserver- und Abwasserentsorgung anschließen, sondern auch das System der Kläranlagen ausbauen. Statt derzeit lediglich 15 Prozent sollen dann sämtliche Abwässer gereinigt werden - bisher werden viele im Meer entsorgt. »Wir brauchen ein geschlossenes System, um den Herausforderungen der Zukunft zu begegnen, und dazu müssen wir unser Leitungssystem erweitern und modernisieren«, erklärt Cascón bei einem Vortrag in der Zentrale der Wasserwerke vor Technikern aus dem eigenen Haus und Geldgebern aus dem Ausland. Die sollen einen Teil der geplanten Investitionen durch Kredite finanzieren. Neben der Interamerikanischen Entwicklungsbank ist auch die deutsche KfW-Förderbank mit von der Partie.

Eine gigantische Herausforderung, denn sowohl das Problem des immensen Schwunds im System, als auch die Folgen des Klimawandels müssen bewältigt werden. Rund 40 Prozent des Trinkwassers, das die Wasserwerke ins System pumpen, versickern im Untergrund, weil viele Leitungen undicht sind und daher ausgetauscht oder abgedichtet werden müssten. Dabei kommt auch deutsches Know-how zum Einsatz. So hilft das Gütersloher Unternehmen Sewerin mit elek-tronischen Messgeräten bei der Suche nach Lecks, die Universitäten Magdeburg und Stuttgart bei der Entwicklung von Strategien, um die Wasserversorgung Limas künftig zu sichern. Alles andere als einfach, denn die Kapazität des Rimac, des wichtigsten Flusses für die Versorgung Limas, reicht kaum noch aus. »Zwischen April und November müssen wir zusätzliches Wasser aus einigen hundert Brunnen fördern, um den Bedarf zu decken«, erklärt Sedapal-Chef Cascón und deutet auf das Rinnsal, welches nach der Wasserentnahmestelle durch das fast trockene Flussbett plätschert.

Flüsse aus den Anden bringen weniger Wasser

Dies könnte bald das ganze Jahr über so sein, denn der Klimawandel wirft seine Schatten voraus. Zwischen zwölf und achtzehn Jahre wird es nur noch dauern, bis die Gletscher komplett abgeschmolzen sind, schätzen Klimaforscher wie Ricardo Viañueva. Er arbeitet im Nationalpark Huascarán knapp 460 Kilometer nördlich von Lima, wo sich rund 600 Gletscher in der Cordillera Blanca verbergen. Sie bedeckten vor ein paar Jahren noch rund 2042 Quadratkilometer; nach Berechnungen des peruanischen Umweltrats sind sie jedoch seit 1989 um mindestens 22 Prozent zurückgegangen. Die Flüsse aus den Anden transportieren daher weniger Wasser in die Küstenregion Perus, wo rund 70 Prozent der Bevölkerung leben. Für die Techniker der Wasserwerke heißt die Konsequenz: »Wassersparen«. Dass diese Botschaft noch lange nicht überall angekommen ist, zeigt die Praxis der Stadtverwaltung, die das Gros der Grünflächen Limas großzügig mit Trinkwasser sprengt.

Wenn der Preis zu niedrig ist

Der verschwenderische Umgang mit Wasser muss sich ändern, fordern Experten wie Ex-Umweltminister Antonio Brack Egg, der seit Jahren für einen nachhaltigeren Umgang mit dem Trinkwasser eintritt und dabei auch auf höhere Preise setzt. »Wir müssen die Mentalität in Peru ändern. Ein Kubikmeter Wasser kostet einen Sol (rund 30 Euro-Cent), das deckt kaum die Kosten für die Bereitstellung und erst recht nicht für die Abwasserbehandlung. Peru ist ein Paradies für Wasserverschwender«, ärgert sich der 72-Jährige.

Es fehlt auch an Informationen, geben die Manager der Wasserwerke zu. Gerade erst haben sie angefangen, Konzepte für die Öffentlichkeitsarbeit zu entwickeln, um an Schulen die Kinder darüber aufzuklären, wie unsicher langfristig die Versorgung Limas mit Wasser ist. Bisher wird ein anderer Eindruck vermittelt: Eine Hauptattraktion der Stadt ist der Wasserpark, wo Kinder und Eltern über Fontänen, Rutschen und Wasserfälle staunen. Hier kommt man kaum auf die Idee, dass sich Lima mehr und mehr im Wassernotstand befindet.

Bei Sedapal will man Lima mit einem Mix aus teuren Entsalzungsanlagen, zusätzlichen Staubecken in den Anden und der Durchbohrung des Gebirges hin zum Amazonasgebiet langfristig mit Wasser versorgen. 2021 soll alles fertig sein. Und bis dahin sollen die Limeños auch gelernt haben, sparsamer mit Wasser umzugehen, hofft Sedapal-Chef Chacón.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 05. Dezember 2012


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