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Ollanta Humala kommt Indigenen entgegen

Perus neuer Präsident stärkt die Rechte der Ureinwohner gegenüber den Ansprüchen der Investoren

Von Jürgen Vogt, Lima *

In der Konvention Nr.169 über indigene Völker ist es festgeschrieben: Bei Entwicklungsvorhaben in ihren Siedlungsgebieten haben die Indigenen ein Recht auf Anhörung und Beteiligung. In Peru ist das nun im nationalen Recht verankert worden.

Bagua hat hohe Symbolkraft: Mit seinem halben Kabinett reiste Perus neuer Präsident Ollanta Humala vergangene Woche in die nördliche Amazonasprovinz, um ein progressives Gesetz zu verkünden. Künftig müssen in Peru indigene Gemeinschaften vor Bergbau- oder Energieinvestitionen auf ihrem Gebiet vorab angehört werden.

Just in Bagua hatte sich die Bevölkerung 2009 monatelang gegen die rücksichtslose Ausbeutung von Erdöl- und Erdgasvorkommen gewehrt. Als die Regierung von Expräsident Alan García als einzige Antwort die Polizei schickte, ging die wütende Bevölkerung gegen die Polizisten vor. 34 Menschen kamen ums Leben, darunter 23 Polizisten.

Bagua steht nicht alleine. Bei Protesten in der südperuanischen Provinz Puno wurden im Juni 2011 fünf Demonstranten getötet, über 40 Menschen verletzt. Hier wehren sich die Aymara gegen die Ausbeutung einer Silbermine. Sie befürchten die Vergiftung der Flüsse und des Titicaca-Sees durch Abwässer.

»Das Inkrafttreten des Gesetzes ist ein wichtiger Schritt für eine wirkliche gesellschaftliche Integration, weil es 190 Jahre nach Gründung der Republik den indigenen Völkern eine Mitwirkung an den Entscheidungen gibt«, kommentierte Oseas Barbarán, Vorsitzender der Konföderation der Amazonasvölker in Peru. Das Gesetz war längst vom Kongress gebilligt worden. Expräsident Alan García hatte jedoch seine Zustimmung verweigert. Humala, der seine Wahl im vergangenen Juni vor allem den Stimmen aus den ländlichen Regionen verdankt, hatte stets verkündet, die indigenen Gemeinschaften an der Entscheidungsfindung beteiligen zu wollen: »Das Problem wird nicht mit der Unterzeichnung eines Gesetzes gelöst, aber es ist ein Anfang.« Die Nichtanerkennung der indigenen Nationalitäten sei noch immer eines der großen Probleme des Landes, so Humala bei der Verkündung des Gesetzes.

Mit dem Gesetz erfüllt Peru eine internationale Verpflichtung, die das Land mit der Unterzeichnung der Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation zum Schutz der indigenen Völker eingegangen war. Die Vereinbarung sieht unter anderem die vorherige Anhörung der betroffenen Gemeinschaften vor, in deren Lebensraum eingegriffen wird.

Bei der staatlichen Behörde zur Verteidigung der Interessen der Bevölkerung, vergleichbar einem Ombudsmann, liegen gegenwärtig 118 Eingaben aus der Bevölkerung vor. Dabei geht es vor allem um Beschwerden wegen Umweltschäden und sozialer Benachteiligung als Konsequenz von Bergbau- oder Energieprojekten. Mit dem neuen Gesetz könnten 43 Investitionsprojekte verzögert, wenn nicht verhindert werden. Das Volumen der infrage gestellten Investitionen wird auf 52 Milliarden Dollar geschätzt.

Carlos Mesía, Vorsitzender des peruanischen Verfassungsgerichts, hat denn auch schon beruhigend eingegriffen. Mit der Anhörung solle eine jeweils einvernehmliche Lösung zwischen den Beteiligten gefunden werden. »Das Gesetz zur vorherigen Anhörung nimmt die Privatinvestoren in die gesellschaftliche Verantwortung, aber sie gibt den indigenen Gemeinschaften kein Vetorecht.«

Peru liegt bei Gold, Silber, Kupfer und Zink unter den weltweit wichtigsten Abbauländern. Bergbaufirmen müssen nur etwas über drei Prozent des Bruttoverkaufswertes an den Fiskus abführen. Hinzu kam eine großzügige Vergabepolitik der bisherigen Regierung bei den Konzessionen. Steigende Rohstoffpreise auf dem Weltmarkt und Steuererleichterungen im Land selbst haben den Minenbetreibern in den letzten Jahren Milliardengewinne beschert. Allein 2010 hat der Sektor einen Gewinn von 8 Milliarden Dollar eingefahren. Eine immense Summe in einem Land, indem rund 54 Prozent am Rande des Existenzminimums leben und jeder Fünfte mit weniger als 1,25 US-Dollar am Tag überleben muss.

* Aus: Neues Deutschland, 13. September 2011


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