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Giftiges Gold vom Amazonas

Forscher warnen vor Quecksilber in Perus Flüssen

Von Benjamin Beutler *

Besorgniserregend hohe Quecksilberwerte in Perus Fluss Madre de Dios, bei Fischen und Menschen hat eine Studie der Carnegie Institution for Science festgestellt. Über Jahre hinweg hatte ein Forscherteam die Konzentration des giftigen Schwermetalls gemessen.

In fünfzehn Fischarten auf dem beliebten Fischmarkt von Puerto Maldonado, Hauptstadt des Departamentos am südwestlichen Rand des Amazonasbeckens, wurden nach Angaben des Radiosenders RPP Noticias deutlich überhöhte Quecksilberwerte festgestellt. Als Grund für den »massiven Eintrag flüssigen Quecksilbers in die Umwelt« nennen die Wissenschaftler den »enormen Anstieg des praktisch unkontrollierten Goldbergbaus«. Dieser werde getrieben von »schnell wachsenden Goldpreisen«, warnt die Studie vor Schäden in einem der »artenreichsten Plätze der Erde«.

Der nichtindustrielle Goldabbau ist wichtigste Einkommensquelle im dicht bewaldeten Amazonas- Tiefland an der Grenze zu Brasilien und Bolivien. Abseits von Straßen schlagen Familien an goldreichen Flüssen ihre Lager auf. Kontrollen zur Einhaltung von Umweltstandards seitens staatlicher Stellen sind kaum möglich. Die meisten Goldwäscher kommen aus dem armen Andenhochland. Pro Jahr gelangen durch das zur Goldextraktion verwandte Quecksilber 35 Tonnen dieses Giftes allein in den Madre de Dios. Dieser fließt über die Grenze nach Bolivien, wo er in den Río Beni mündet. Zusammen mit dem Río Mamoré fließt dessen verschmutztes Wasser als Rio Madeira in den Amazonas. Zwar hatte die Regierung des fünftgrößten Goldproduzenten der Erde 2011 die Registrierung und Regulierung des wilden Goldabbaus angekündigt. Doch bisher erzielte Lima kaum Fortschritte.

Die Folgen sind verheerend. Längst hat sich das Quecksilber aus der Goldgewinnung in die Nahrungskette von Mensch und Tier eingeschlichen. Zwischen 2009 und 2012 habe sich seine Konzentration signifikant erhöht, hält die Langzeitstudie fest. Mittlerweile würden 60 Prozent aller auf dem Markt der 50 000-Einwohner- Stadt Puerto Maldonado gekauften Fische aus dem Madre de Dios die international zulässigen Grenzwerte überschreiten. Über den Verzehr dieser Fische sei die große Mehrheit (78 Prozent) der Bevölkerung dem Quecksilber ausgesetzt, so die Forscher aus Peru und den USA. Im Haar von 226 Erwachsenen hatten die Wissenschaftler eine Quecksilberkonzentration gemessen, dreimal so hoch wie der internationale Grenzwert. Die höchsten Werte wiesen Frauen im gebärfähigen Alter zwischen 16 und 49 Jahren auf. Typische Folgen von Quecksilbervergiftungen beim Menschen sind Schädigungen des Zentralnervensystems, der Nieren und der Leber. Bei Schwangeren kann Quecksilber über die Nabelschnur in den Fötus gelangen.

Der weltweite Quecksilberverbrauch nimmt wegen internationaler Abkommen, dem Einsatz von Ersatzstoffen und dem Wissen über die Risiken seit den 1960er Jahren drastisch ab. Größter Verbraucher ist laut UN-Umweltorganisation UNEP neben der PVCKunststoffherstellung mit Schwerpunkt in Asien der traditionelle Bergbau in Südamerika.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 2. April 2013


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