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Landwirtschaft statt Goldmine

In Peru regt sich der Widerstand gegen die Umweltverschmutzung durch den Bergbau

Von Knut Henkel *

In Peru ist die Stimmung auch sechs Wochen nach den gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Polizei und Indigenas in der Amazonasregion angespannt. Nach wie vor fühlen sich die Einwohner übergangen, wenn die Regierung Entscheidungen über wirtschaftliche Ansiedlungen trifft.

Das Problem, so argumentieren Umwelt- und Sozialorganisationen, ist die fehlende Partizipation der lokalen Organisationen. Die werden oftmals von der Zentralregierung übergangen, wenn es um die Ausbeutung der Ressourcen geht. Dagegen und gegen die Umweltverschmutzung regt sich landesweit zunehmend Widerstand.

Referendum als Alternative

»Die Mechanismen sind fast immer die gleichen. In Lima werden die Gesetze und Dekrete erlassen und die Betroffenen erfahren oft erst als letzte, wer sich in ihrer Gemeinde ansiedeln will, um dort Rohstoffe zu fördern«, erklärt Ana Leyva vom Red Muqui. Unter dem Dach des Netzwerkes haben sich eine Reihe von lokal und national agierenden Organisationen zusammengefunden, um ein Wörtchen mitzureden, wenn es um die Entwicklung in ihren Gebieten geht.

Referenden sind aus Sicht der Basisorganisationen ein probates Mittel, um die regionale Bevölkerung bei der Entscheidungsfindung zu beteiligen. Um landesweit auf diese Alternative aufmerksam zu machen, hat das Netzwerk in der zweiten Juliwoche in Lima eine Konferenz initiiert, auf der renommierte Fachleute wie der Jurist Luis Enrique Aguilar Cardoso Möglichkeiten und Alternativen der Partizipation im Rahmen der peruanischen Verfassung vortrugen. Die sind durchaus vorhanden. »Referenden auf lokaler Ebene wie in Tambogrande und letztlich auch in Majaz sind eine echte Alternative«, erklärt Leyva

Tambogrande ist eine kleine Stadt im Nordwesten Perus, in der sich die Bevölkerung 2002 in einem Referendum mit überwältigender Mehrheit gegen die Ansiedlung einer Goldmine aussprach. Ähnlich eindeutig fiel das Votum um die Kupfermine Majaz -- ebenfalls im Norden des Landes nahe der Grenze zu Ecuador -- im September 2007 aus. In beiden Fällen entschied sich die lokale Bevölkerung gegen den Bergbau und für die nachhaltige Landwirtschaft und den Schutz der Umwelt. Das ist immer öfter in Peru der Fall und bei den Protesten im Amazonasgebiet Anfang Juni war die Ursache die selbstherrliche Politik der Regierung in Lima. Die hatte ausländischen Unternehmen die Förderung von Rohstoffen zugebilligt, ohne die Indigenen-Organisationen zu konsultieren. Ein typisches Vorgehen der Regierung García, die weltweit für Investitionen im Rohstoffsektor des Landes wirbt.

Überall wird geschürft

Dabei wird aber immer wieder die Rechnung ohne den Wirt, sprich die lokale Bevölkerung, gemacht. Ohnehin gibt es kaum einen Fleck in Peru, der nicht mit einer Bergbaukonzession belegt ist, so dass faktisch überall geschürft werden könnte. Doch auch außerhalb des Bergbausektors gelten die Rechte der lokalen Bevölkerung nicht sonderlich viel.

In einer ganzen Reihe von Fischereistädten wie Chimbote oder Pisco ist die Umweltbelastung durch die Produktion von Fischmehl auf veralteten Anlagen für die lokale Bevölkerung unzumutbar. »Atemwegs-, Haut- und Augenerkrankungen sind die Folge, weil viele kleine Fischpartikel durch den Schornstein geblasen werden«, erklärt Maria Elena Foronda von der Umweltorganisation Natura, die seit Jahren für die Stilllegung der Anlagen und für ein Ende der Schmutzwassereinleitungen in die Bucht von Chimbote kämpft. Das ist nur ein Beispiel für den Raubbau an der Natur, der in allen Regionen des Landes vonstatten geht. Daran hat auch die Gründung eines Umweltministeriums -- von vielen Organisationen wie dem Red Muqui unterstützt -- bisher noch nicht wesentliches ändern können.

Allerdings häufen sich die Forderungen von sozialen und kommunalen Organisationen nach einer Modifizierung der Verfassung und nach einer Änderung der Wirtschaftspolitik der Regierung von Alan García. Von deren Politik und vom ökonomischen Wachstum der letzten Jahre, so der Tenor, habe die Mehrheit der Bevölkerung nicht profitieren können. Das soll sich durch mehr Partizipation ändern, hofft nicht nur Ana Leyva vom Red Muqui. Ob die Regierung dazu allerdings bereit ist, muss sich erst noch zeigen.

* Aus: Neues Deutschland, 23. Juli 2009


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