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Gnade für Fujimori?

Peru: Diskussion um Freilassung des Exdiktator spaltet die Gesellschaft

Von Anne Grit Bernhardt *

Die Hälfte der peruanischen Bevölkerung glaubt, daß eine Begnadigung des früheren Staatschefs Alberto Fujimori die Gesellschaft des südamerikanischen Landes weiter polarisieren könnte. Das ergab eine Studie der Beratungsfirma GfK im Auftrag der Tageszeitung La República, die in der vergangenen Woche veröffentlicht wurde. Demnach glauben 60 Prozent der Befragten, daß sich Fujimori in einem Gefängnis mit guten Bedingungen befinde. Zudem erklärte knapp die Hälfte, die von Fujimori in seiner kürzlich veröffentlichten Autobiographie abgegebene Entschuldigung sei nicht ausreichend. Der von 1990 bis 2000 als Präsident Perus amtierende Fujimori hatte in dem Buch auf einem Foto vermerkt: »Entschuldigung für das, was ich nicht tun konnte, und für das, was ich nicht vermeiden konnte.« Am 5. April 1992 hatte der Staatschef in einem »Selbstputsch« den Kongreß aufgelöst, als er in diesem keine Mehrheit mehr hatte. Der von ihm zu verantwortende Krieg gegen die Guerillaorganisation »Leuchtender Pfad« forderte zahlreiche Todesopfer auch unter der Zivilbevölkerung. Nach seinem Sturz und einer mehrjährigen Flucht wurde er schließlich in Chile gefaßt und im Jahr 2007 an Peru ausgeliefert. Noch im selben Jahr wurde er wegen Diebstahl zu sechs Jahren und 2009 wegen Menschenrechtsverletzungen zu 25 Jahren Haft verurteilt.

Seit Monaten bitten die Kinder des Gefangenen, die frühere Präsidentschaftskandidatin Keiko Fujimori und der Parlamentsabgeordnete Kenji Fujimori, um Gnade für ihren Vater. Sie erklären, dieser leide unter Krebs im Endstadium. Durch medizinische Untersuchungen konnte diese Aussage jedoch nicht bestätigt werden. Es bestehe jedoch ein hohes Risiko, so die Ärzte, daß Fujimori an Zungenkrebs erkranken könnte. Schon im Jahr 1997 hatte er sich an der Zunge operieren lassen, da eine Leukoplakie festgestellt worden war. Bei diesem Eingriff war auch ein sehr kleines Krebsgeschwür herausgeschnitten worden. Nach dieser unkomplizierten Operation galt Fujimori als geheilt. Im Jahr 2008 mußte er jedoch noch einmal operiert werden. Erneut wurde dabei ein weiteres winziges Geschwür herausgenommen. 2010 und 2011 zeigte der Patient neue Anzeichen von Leukoplakie, es wurde jedoch kein Krebs entdeckt. Eine medizinische Untersuchung im August diesen Jahres diagnostizierte eine leichte Dysplasie an der Zunge, jedoch ebenfalls keinen Krebs. Dennoch reichten seine Kinder am 10. Oktober erneut einen Antrag auf Begnadigung ein. Dieser selbst hat einen solchen Antrag nicht gestellt, da er damit seine Schuld anerkennen müßte. Alberto Fujimori betont jedoch seine Unschuld, er habe keine Menschenrechtsverletzungen begangen.

Am vergangenen Freitag teilte die zuständige Begnadigungskommission des Ministeriums für Gerechtigkeit und Menschenrechte der Familie mit, daß ein Antrag auf Begnadigung nur mit der Unterschrift des Gefangenen behandelt werden könne. Die Regierung des aktuellen Präsidenten Ollanta Humala versucht, offizielle Stellungnahmen zu dem für sie schwierigen Thema einer Begnadigung zu vermeiden.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 30. Oktober 2012


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