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Krise trifft Pazifikinseln

Gipfeltreffen auf Vanuatu beschließt stärkere Kooperation. Staaten des Verbundes leiden unter Wirtschaftsschwäche der USA

Von Thomas Berger *

Wirtschaftliche und ökologische Themen haben den 41. Gipfel des Forums der pazifischen Inseln (PIF – Pacific Islands Forum) in Port Vila auf Vanuatu dominiert, der am Freitag zu Endes ging. Vier Jahrzehnte nach der Gründung des ozeanischen Staatenbundes – das Jubiläum steht 2011 an – soll die regionale Kooperation noch weiter ausgebaut werden. Daß dies nicht immer einfach ist, zeigte sich auch auf dem Gipfeltreffen, dem diesmal auffallend viele Spitzenpolitiker fernblieben. Australiens neue Premierministerin Julia Gillard, die im Wahlkampf steht, fehlte ebenso wie ihr Amtskollege von den Salomonen, Derek Sikua, weil an diesem Tag dort Parlamentswahlen stattfanden. Michael Somare aus Papua-Neuguinea wiederum war mit der innenpolitischen Krise in seinem Land vollauf beschäftigt. Er reist gegenwärtig durch die Provinzen, um den Bürgern zu erklären, warum das Parlament für drei Monate suspendiert ist – die Regierung hatte mit der Maßnahme ein Mißtrauensvotum der Opposition gegen Somare verhindert.

Ungeachtet dessen, daß aus diesen Ländern teils nur Minister aus der zweiten Kabinettsreihe als Vertreter angereist waren und Fidschi wegen des Militärputsches weiter suspendiert bleibt, wurde unter anderem über einen Ausbau des Freihandels beraten. Waren und Dienstleistungen sollen ungehindert ihren Weg nehmen können, Protektionismus abgebaut werden, drängt insbesondere Australien. »Down Under« hatte auf dem Gipfel den rotierenden Vorsitz des Bundes offiziell an Gastgeber Vanuatu weitergegeben. Dessen Premier Edward Natapei betonte in seiner Eröffnungsrede, daß die Region nach wie vor unter den Nachwirkungen der globalen Währungs- und Finanzkrise zu leiden habe. Das Forum müsse sich stärker an Vorbildern in Asien wie Indien und China orientieren, die längst wieder starke Wachstumsraten aufweisen.

Ein Grundproblem ist die starke Ausrichtung vieler der Inselökonomien auf Partner in den USA, wo die negativen Entwicklungen der Weltwirtschaft durch den Banken- und Immobiliencrash ausgelöst worden waren. Die geringe Größe und damit prinzipiell starke Abhängigkeit vom Ausland macht die meisten Staaten der Region zudem anfällig für Turbulenzen. Nur bedingt können die nationalen Regierungen hier gegensteuern. Immerhin hat die verstärkte regionale Kooperation aber schon erste Früchte getragen. So wurde beispielsweise das in massive wirtschaftliche Schieflage geratene Nauru durch gemeinsame Anstrengungen wieder etwas stabilisiert. Nicht thematisiert wurde wiederum das enorme Ungleichgewicht zwischen dem Riesen Australien sowie dem ebenfalls zu den Industrienationen zählenden Neuseeland auf der einen und den kleinen Inselstaaten auf der anderen Seite. Viele Insulaner arbeiten mittlerweile als Migranten, vor allem Neuseeland hat dafür verstärkte Möglichkeiten geschaffen.

Bei den voranschreitenden Verhandlungen mit der EU über ein weitgehendes Freihandelsabkommen soll der Pazifikraum mit einer einzigen Stimme sprechen. Die Europäer haben ihr Interesse für die Region neu entdeckt und engagieren sich bereits mit mehreren Projekten. Eine Maßnahme betrifft Untersuchungen zu Tiefseemineralien, eine zweite wissenschaftliche Unterstützung der pazifischen Fischereibranche und eine dritte die weitere Förderung des Thunfischfangs.

Fischerei war auch ein spezielles Thema: Zwar werden im südlichen Pazifik alljährlich umgerechnet 3,4 US-Milliarden Dollar an Erträgen erzielt. Die Staaten der Region selbst haben davon aber wenig. Lediglich zwischen fünf und sechs Prozent davon bleiben ihnen, hatte die Umweltorganisation Greenpeace unmittelbar zu Gipfelbeginn noch einmal herausgestellt. In einem Workshop in Port Vila forderten die Aktivisten Seini Nabou und Lagi Toribau, daß die pazifischen Länder mehr Gewinn aus ihren ureigensten Ressourcen erzielen müßten. Es gehe nicht an, daß ausländische Fangflotten gegen geringe Gebühren die Meeresgründe beinahe leerfischten. Die Rate müsse um etwa 50 Prozent reduziert werden, fordert Greenpeace. Außerhalb der 200-Meilen-Zone, über die hinaus die einzelnen Länder keinen direkten Einfluß auf die Bewirtschaftung haben, gelte es insbesondere, vier ökologisch sensible Meeresabschnitte zu schützen. Bei zweien ist dies schon gelungen, in den anderen Fällen laufen noch Anstrengungen. Die Abschlußerklärung des Gipfels hat den Grundtenor aufgegriffen. In Zusammenarbeit soll die Kontrolle über eigene Fischgründe ausgeweitet werden.

Schluß soll auch damit sein, daß ausländische Mächte die Insulaner gegeneinander ausspielen. Der Ruf nach verstärkter Einheit entspringt auch der Einsicht, in einer Ära globalen Wettbewerbs noch stärker als bisher den Kapitalinteressen von US-Amerikanern, Japanern, Europäern sowie neu aufstrebenden Wirtschaftsnationen wie China ausgeliefert zu sein. Allerdings ist in den eigenen Reihen Australien ein eher fragwürdiger Verbündeter. Auch Neuseeland verfolgt gerade unter der konservativen Regierung ebenfalls konsequent eigene Ziele.

Breiten Raum nimmt in der Abschlußerklärung auch der Klimawandel ein, von dem die Region besonders stark betroffen ist – einige Inseln drohen schon in den nächsten zwei bis drei Jahrzehnten durch den steigenden Meeresspiegel völlig zu verschwinden. Die beim vorigen Weltklimagipfel in Kopenhagen beschlossenen Hilfszahlungen durch andere Länder sollen gemeinsam in Projekten umgesetzt werden, und beim nächsten Gipfel im mexikanischen Cancun wollen die pazifischen Inselstaaten einmal mehr mit einer Stimme auf ihre Probleme und Sorgen aufmerksam machen.

* Aus: junge Welt, 7. August 2010


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