Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Unterschiedliche Signale

Neue Regierung Paraguays sucht nach Positionen: Beitritt zum Regionalsender Telesur bekanntgegeben. Neoliberale Politiker in Ministerämtern

Von Harald Neuber *

Der lateinamerikanische Fernsehsender Telesur bekommt Unterstützung. Einen Tag nach Amtsantritt des neuen linksgerichteten Präsidenten Paraguays, Fernando Lugo, haben die Informationsminister dieses Landes und Venezuelas, Efraín Alegre und Andrés Izarra, am Samstag (16. Aug.) eine Absichtserklärung unterzeichnet, die den Einstieg des südamerikanischen Landes in den multistaatlichen Kanal vorsieht. Telesur war Ende Juli 2005 auf Initiative von Caracas gegründet worden, um vor allem in der Nachrichtensparte ein Gegengewicht zu US-amerikanischen Sendern wie CNN zu schaffen. Bislang gehören dem politisch-journalistischen Projekt neben dem Mehrheitseigner Venezuela fünf weitere Länder an: Argentinien, Bolivien, Ecuador, Kuba und Nicaragua.

Parallel zu der Erklärung der Informationsminister unterzeichnete der frisch vereidigte Präsident Fernando Lugo mit seinem venezolanischen Amtskollegen Hugo Chávez ein Dutzend weitere Verträge über die Kooperation in der Landwirtschaft, im Gesundheitswesen und der Energieversorgung. Nach Berichten der nationalen Presse einigten sich Lugo und Chávez auf den Bau einer gemeinsamen Fabrik zur Produktion des Peptidhormons Insulin. Bislang müssen die lateinamerikanischen Staaten solche und weitere Pharmazeutika zu hohen Preisen importieren.

Venezuelas Staatsführung erhofft sich von der wirtschaftlichen Annäherung an Paraguay auch politische Unterstützung in der Region. Nach der Unterzeichnung der Kooperationsverträge bat Präsident Chávez die neue paraguayische Regierung um Unterstützung im Aufnahmeverfahren bei dem südamerikanischen Wirtschaftsbund Mercosur. Venezuela hatte vor zwei Jahren die Eingliederung in den 1991 gegründeten Verband beantragt. Von den vier Mitgliedern haben bislang nur Uruguay und Argentinien auf das Anliegen des wirtschaftsmächtigen Venezuela positiv reagiert, die Parlamente von Paraguay und Brasilien haben ihre Zustimmung verweigert. Hinter dem Konflikt stehen unterschiedliche Konzeptionen für eine südamerikanische Integration. Während Venezuela für eine stärkere Rolle des Staates eintritt, plädieren neoliberale Kräfte in Brasilien und Paraguay für eine Fortführung der Privatisierung.

Mit dieser Polarisierung wird der neue Präsident Paraguays, obwohl er Chávez nahesteht, auch innenpolitisch zu kämpfen haben. Damit macht sich die politische Breite seines Wahlbündnisses Allianz für den Wandel negativ bemerkbar, denn die Mehrheit des neu berufenen Kabinetts ist wirtschaftsliberal ausgerichtet. So war der neu ernannte Finanzminister Dionisio Borja in der Vergangenheit bereits für den Internationalen Währungsfonds tätig und hatte das Amt unter Lugos Vorgänger Nicandor Duarte von 2003 bis 2005 schon einmal wahrgenommen. Nach nur zwei Jahren trat er damals zurück, weil er seine neoliberale Politik nicht durchsetzen konnte. Einen Gesinnungsfreund findet Borja in dem neuen Industrie- und Handelsminister Martín Heisecke: »Wenn es auf mich ankäme, würde ich schon morgen mit der Privatisierung beginnen«, wird der ehemalige Politiker der Liberalen Partei von der Deutschen Presse-Agentur zitiert. Der Staat müsse keine Unternehmen besitzen, so Heisecke weiter: »Ich habe keine Ahnung, woher diese Idee stammt.«

Ungeachtet solcher Töne unterstützen linke Intellektuelle die neue Regierung in Paraguay. An Lugos Amtsantritt nahmen unter anderem der brasilianische Befreiungstheologe Leonardo Boff, der uruguayische Schriftsteller Eduardo Galeano und der nicaraguanische Literat Ernesto Cardenal teil. Auf einer Pressekonferenz nach der Zeremonie äußerten sie ihre Hoffnung in die neue Regierung. »Hinter diesem Wandel stehen soviel Energie und soviel Einsatz von der Basis«, sagte Galeano: »Deswegen stehen die Chancen gut, daß aus ihm eine neue Realität entsteht.«

* junge Welt, 20. August 2008


Zurück zur Paraguay-Seite

Zur Venezuela-Seite

Zurück zur Homepage