Köhler im Schmugglerparadies
Bundespräsident begann Lateinamerika-Reise in Paraguay
Von Jürgen Vogt, Buenos Aires *
Horst Köhler besucht derzeit als erster deutscher Präsident überhaupt Paraguay. Das Land gilt in
Lateinamerika als Synonym für Korruption und Schmuggel. Brasilien und Kolumbien sind die
nächsten Stationen.
Zum Auftakt seines ersten Lateinamerikabesuchs als Bundespräsident machte Köhler am Montag in
Asunción, der Hauptstadt Paraguays, deutlich, dass die Globalisierung einer Gestaltung bedarf.
Armut sei wahrscheinlich die wichtigste Quelle für Terror, Drogenkriminalität und andere Dinge.
Um die Armut zu bekämpfen, müsse es international faire Regeln für den Handel geben. Auf
nationaler Ebene müssten die Staaten Rahmenbedingungen für Rechtsstaatlichkeit und ein gutes
Investitionsklima schaffen. Dazu zählte Köhler auch die Bekämpfung der Korruption. »Zur Korruption
gehören immer zwei«, sagte Köhler beim Staatsbankett. Daher müsse nicht zuletzt auch in den
Industriestaaten des Nordens der Kampf gegen korrupte Wirtschaftspraktiken energisch geführt
werden, forderte Köhler. Für Paraguays Präsident Frutos Duarte ist das Problem der Korruption
nichts Neues. Alle seine drei Vorgänger im Amt wurden wegen Korruption und Bereicherung nach
ihrer Amtszeit rechtskräftig verurteilt. Zuletzt erwischte es Luis Angel González Macchi. Der Ex-
Präsident von 1999 bis 2003 wurde wegen der »illegalen Abzweigung« von 16 Millionen US-Dollar
aus den Beständen der Zentralbank zu acht Jahren Haft verurteilt. Zuvor waren die ehemaligen
Präsidenten Juan Carlos Wasmosy (1993-1998) und Raúl Cubas (1998-1999) ebenfalls verurteilt
worden.
Experten bezeichnen das südamerikanische Binnenland als feudale Kleptokratie. Einige hundert, vor
allem weiße Familien haben das Land unter sich aufgeteilt. Nach den offiziellen Statistiken besitzen
zehn Prozent der Bevölkerung achtzig Prozent des Landes. Gut 40 Prozent der 6,5 Millionen
Paraguayer leben unterhalb der Armutsgrenze.
70 Prozent der Bevölkerung leben noch immer auf dem Land. Regelmäßig kommt es zu
Auseinandersetzungen zwischen Großgrundbesitzern und landlosen Bauern. Nach Angaben der
Nationalen Bauerorganisation MCNOC sind 300 000 Familien ohne Land. Eine von der Regierung
zugesagte Umverteilung von brachliegenden Ländereien kommt nicht voran. Stattdessen verdrängt
der agrarindustrielle Sojaanbau die Kleinbauern mehr und mehr.
Derzeit beherrscht der medizinische Ausnahmezustand das Land. Seit Monaten grassiert das
Denguefieber. Experten schätzen die Zahl der Erkrankten auf 150 000. Die Regierung spielt den
Ernst das Lage herunter. Nach ihren Angaben gibt es bisher nur 16 297 Erkrankungsfälle. Elf
Menschen sind offiziell an den Folgen des Fiebers gestorben. Nach langem Drängen der Opposition
hatte der Präsident vergangene Woche endlich den Gesundheitsnotstand verhängt.
Dem Präsidenten kommt die Epidemie höchst ungelegen. 2008 sind Präsidentschaftswahlen, und
Nicanor Frutos Duarte will erneut kandidieren. Frutos Duarte gehört selbstverständlich zur
konservativen Colorado-Partei. Seit 1947 sind die Colorados an der Macht. Das war auch unter der
Diktatur von Alfredo Stroessner nicht anders. Der deutschstämmige General hatte sich 1954 an die
Macht geputscht und herrschte mit Hilfe der Colorados bis 1989. Alle folgenden
Präsidentschaftswahlen gewann ein Kandidat der Colorados. Mit Nicanor Frutos Duarte steht zwar
ebenfalls ein Colorado an der Spitze, aber pikanterweise erstmals kein Katholik.
Und ausgerechnet ein ehemaliger Bischof und katholischer Priester will die 60 Jahre dauernde
Herrschaft der Colorados brechen. Am Weihnachtstag 2006 hatte Fernando Lugo Mendez
angekündigt, er werde bei den Präsidentschaftswahlen im Mai 2008 antreten. Er sei weder rechts
noch links, und dies sei auch völlig unwichtig, denn in Paraguay gebe es ohnehin nur zwei Klassen
von Bürgern: »Leute, die stehlen, und solche, die bestohlen werden«.
Der 58-jährige Lugo Mendez war 1994 von Papst Johannes Paul II zum Bischof Diözese San Pedro
ernannt worden. 2005 hatte ihn Papst Johannes Paul II mit 55 Jahren ohne genauere Angaben von
Gründen vorzeitig in den Ruhestand geschickt. Vermutet wurde, Lugos entschiedene Kritik an der
Politik des Internationalen Währungsfonds (IWF) und sein konsequentes Eintreten für die landlosen
Bauern in seiner Gemeinde seien dem Vatikan ein Dorn im Auge.
Mendez werden derzeit große Chancen bei der kommenden Wahl eingeräumt. Mit den Themen
Korruption und Diebstahl hat er Erfolg bei der Mittelklasse. Zudem spricht er mit Guaraní die
Indígenasprache, die noch immer vier von fünf Paraguayern in den ländlichen Gebieten sprechen.
Ob er sich mit dem ehemaligen IWF-Chef und jetzigen Bundespräsidenten Köhler über Korruption
und Kleptokratie unterhalten wird, ist fraglich. Ein Gespräch mit Mendez steht nicht auf dem
Reiseplan.
* Aus: Neues Deutschland, 7. März 2007
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