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Großunternehmer in Panama vorn

Martinelli neuer Präsident / Sozialdemokratische Kandidatin chancenlos

Der konservative Unternehmer Ricardo Martinelli hat die Präsidentenwahl in Panama klar gewonnen.

Mit dem Sieg des Oppositionskandidaten Ricardo Martinelli hat sich bei der Präsidentschaftswahl in Panama ein Rechtsruck vollzogen. Der 57-jährige Großunternehmer errang bei dem Urnengang am Sonntag nach vorläufigem Endergebnis mehr als 60 Prozent der Stimmen. Martinelli versprach, sich für die Interessen aller Menschen im Land einzusetzen und gegen die weit verbreitete Armut zu kämpfen.

Auf Martinelli von der »Allianz für den Wechsel« entfielen nach Auszählung von rund 44 Prozent der Wahlzettel rund 61 Prozent der Stimmen. Wahlkommissionschef Erasmo Pinilla teilte dem konservativen Politiker telefonisch mit, dass er der »unangefochtene Sieger« der Wahl sei. In einer kurzen Erklärung versprach Martinelli, eine »Regierung der nationalen Einheit« zu bilden und die Interessen aller Panamaer zu vertreten. Der Politiker, der ein Imperium aus Supermärkten, Banken, Agrarfirmen und anderen Unternehmen führt, galt schon vor der Wahl als Favorit. Seiner sozialdemokratischen Rivalin Balbina Herrera gelang es nicht, die Macht der bislang regierenden Demokratischen Revolutionären Partei zu verteidigen. Der bisherige Staatschef Martín Torrijos durfte nach einer Amtszeit von fünf Jahren laut Verfassung nicht erneut antreten. Mit dem Wahlergebnis hebt sich Panama von anderen Ländern Lateinamerikas ab, in denen in den letzten Jahren linksgerichtete Präsidenten an die Macht gekommen waren.

Die frühere Wohnungsbauministerin Herrera hatte versucht, sich als moderate Linke zu präsentieren. Kritiker warfen ihr vor, dem früheren Machthaber Manuel Noriega politisch nahezustehen, der wegen Drogenhandels seit 17 Jahren in den USA in Haft sitzt.

Wichtiges Wahlkampfthema waren die Armut im Land und die großen Einkommensunterschiede. In Panama wächst die Wirtschaft zwar deutlich, von den mehr als drei Millionen Einwohnern lebt aber noch gut ein Viertel unterhalb der Armutsgrenze. Der Großteil des Vermögens gehört wenigen europäischstämmigen Familien. Martinelli versprach, sich für niedrigere Lebensmittelpreise und eine monatliche Rente von 100 Dollar für über 70-Jährige einzusetzen.

Martinelli, ehemals Kanalminister, kommt während seiner Präsidentschaft auch die Aufgabe zu, den Ausbau des Panama-Kanals zu beaufsichtigen. Für 5,25 Milliarden Dollar soll eine dritte Schleusenanlage gebaut werden.

* Aus: Neues Deutschland, 5. Mai 2009


Martinelli außer Rand und Band. Unternehmer als Staatschef **

Panamas Linke hatte die Präsidentschaftswahl boykottiert. Sie favorisierte den Versuch, zunächst die eigenen Kräfte auf einer »sozialen Basis für den Wandel« zu sammeln und zu konsolidieren. So standen sich beim Urnengang am Sonntag (3. Mai) zwei Kandidaten mit lediglich in Nuancen verschiedenen, tendenziell neoliberalen Programmen gegenüber. Auch wenn das offizielle Endergebnis am Montag noch nicht vorlag: Sieger wurde letztlich der konservative Kandidat Ricardo Martínelli, der mit seinen Anhängern bereits in der Wahlnacht ausgiebig und stimmgewaltig feierte (Foto). Der 57jährige Großunternehmer errang nach vorläufigem Ergebnis mehr als 60 Prozent der Stimmen.

Bei den gleichzeitigen Parlamentswahlen entfielen auf Martínellis Partei des demokratischen Wandels (PCD) nach Auszählung von etwa 44 Prozent der Wahlzettel rund 61 Prozent der Stimmen. Wahlkommissionschef Erasmo Pinilla teilte dem Politiker telefonisch mit, daß er der »unangefochtene Sieger« sei. In einer kurzen Erklärung meinte Martínelli, er werde eine »Regierung der nationalen Einheit« bilden und »die Interessen aller Panamaer« vertreten. Der Großunternehmer führt darüber hinaus ein Imperium aus Supermärkten, Banken, Agrarfirmen und anderen Unternehmen.

Seine Kontrahentin Balbina Herrera von der bislang regierenden Revolutionär-Demokratischen Partei (PRD) scheiterte. Die frühere Wohnungsbauministerin hatte versucht, sich moderat sozialdemokratisch zu präsentieren, doch zugleich ebenfalls ein neoliberales Programm vorgelegt. Der bisherige Staatschef Martín Torrijos durfte nach einer Amtszeit von fünf Jahren laut Verfassung nicht erneut antreten.

Welche Folgen die Wahl Martínellis für die Außenpolitik haben wird, bleibt angesichts der wachsenden Integrationsbemühungen vieler Staaten Latein- und Zentralamerikas abzuwarten. Von Panamas mehr als drei Millionen Einwohnern lebt über ein Viertel unterhalb der Armutsgrenze. Der Großteil des Vermögens gehört wenigen europäischstämmigen Familien. Martinelli versprach demagogisch, sich für niedrigere Lebensmittelpreise und eine monatliche Rente von 100 Dollar (75 Euro) für über 70jährige einzusetzen.

** Aus: junge Welt, 5. Mai 2009


Discounter: Ricardo Martinelli / Der Unternehmer wird neuer Präsident Panamas

Von Harald Neuber ***

Der 52-jährige Unternehmer Ricardo Martinelli ist Gründer der Discountkette »Super 99« mit 35 Filialen im mittelamerikanischen Panama. Er ist Präsident der privaten Fernsehkonzerne Televisora Nacional und Direct TV. Und er steht den Unternehmen Gold Mills, Global Bank, Plastigol und Avipac vor. Am Sonntag wurde der Sohn italienischer Einwanderer in eine weitere Funktion gewählt: Martinelli wird am 1. Juli Präsident Panamas. Mit gut 60 Prozent der Stimmen setzte sich der Kandidat des rechten Parteienbündnisses »Allianz für den Wandel« gegen Balbina Herrera durch, die für die regierende Demokratisch-Revolutionäre Partei (PRD) antrat und nur auf 37 Prozent der Stimmen kam.

Martinelli ist kein Neuling in der panamaischen Politik. Schon 2004 hatte sich der ehemalige Kanalminister um das höchste Staatsamt beworben. Damals erreichte er mit 5,3 Prozent nur den vierten Platz. Dass er nun 55 Prozentpunkte zugelegt hat, gab seinen Widersachern Grund zu harscher Kritik. Martinelli habe mit Hilfe seiner Unternehmer- und Medienmacht eine »schmutzige Kampagne« gegen die PRD und ihre Verbündeten geführt. Tatsächlich bestand seine Stärke auch in der Schwäche der regierenden PRD und ihres scheidenden Präsidenten Martin Torrijos, der sich nicht zwischen einer US-nahen Politik und einer Annäherung an die linke Staatenmehrheit Lateinamerikas entscheiden konnte.

Von dieser Unbestimmtheit profitierte Martinelli, der eine schnelle Lösung der sozialen Probleme versprach. Panama-Stadt soll für 100 Millionen US-Dollar eine U-Bahn bekommen. Den bis zu 40 Prozent armen Panamaern soll rasch geholfen, die Kriminalität soll bekämpft werden.

Außenpolitisch sind Martinellis Pläne konkreter. Er werde Panamas Vertreter aus dem Mittelamerikanischen Parlament zurückziehen und möglichst bald einen Freihandelsvertrag mit den USA unterzeichnen. Nach seinem Studium auf einer US-Militärakademie fühlt er sich zu Washington ohnehin mehr hingezogen als zu Caracas oder gar Havanna. Ob die Bevölkerung diese Politik fernab der populistischen Wahlversprechen gutheißt, ist fraglich. Um eine Wiederwahl muss sich Martinelli indes nicht sorgen: Ohnehin steht Panamas Präsidenten nur eine fünfjährige Amtszeit zu.

*** Aus: Neues Deutschland, 5. Mai 2009


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