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Israels Premier isoliert

EU und USA wollen mit neuer Regierung der Palästinenser zusammenarbeiten

Von Knut Mellenthin *

Israel bleibt mit seinem Boykott gegen die am Montag vereidigte neue palästinensische Regierung vorerst vollständig isoliert. Nicht nur die Staaten der EU, sondern sogar Israels engster Verbündeter, die USA, wollen trotz starker Opposition im Kongreß dem zwischen der PLO und der Hamas ausgehandelten Kabinett aus politisch nicht gebundenen Experten und Pragmatikern eine Chance geben. Der israelische Premier Benjamin Netanjahu und andere Vertreter seiner rechtslastigen Regierungskoalition sparten am Montag und Dienstag nicht mit scharfen Vorwürfen gegen ihre westlichen Verbündeten, die sich für die Unterstützung von »Terroristen« entschieden hätten.

Das zu einer Sondersitzung einberufene israelische Sicherheitskabinett, dem die Chefs der Schlüsselressorts wie Verteidigusng und Innenpolitik angehören, beschloß am Montag einstimmig, alle Verhandlungen mit der neuen palästinensischen Regierung zu verweigern und sie mit Sanktionen zu belegen. Worin diese bestehen sollen, blieb vorläufig offen. Einige rechtsextreme Regierungsmitglieder fordern die direkte Annexion der sogenannten Area C, die rund 60 Prozent der Westbank umfaßt.

Darüber hinaus wird angedroht, daß Israel die palästinensische Einheitsregierung und Präsident Mahmud Abbas für jeden einzelnen Angriff, der von der besetzten Westbank oder dem Gazastreifen aus unternommen wird, verantwortlich machen und zur Rechenschaft ziehen werde. Das ist unlogisch, da in der Westbank gar nicht die Palästinenserregierung, sondern Israel die militärische Kontrolle ausübt.

In seiner Entschließung spricht sich das Sicherheitskabinett außerdem gegen eine Beteiligung der Hamas an den palästinensischen Präsidenten- und Parlamentswahlen aus, die innerhalb der nächsten sechs Monate stattfinden sollen. Israel werde das mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln, einschließlich politischen Drucks auf seine Verbündeten, zu verhindern versuchen. Falls Netanjahus Regierung bei dieser Position bleibt, werden auf der Westbank keine repräsentativen Wahlen stattfinden können. Hamas-Mitglieder müssen in den besetzten Gebieten mit ihrer Verhaftung rechnen.

Unklar ist noch, ob Israel auch die sogenannte Sicherheitszusammenarbeit mit der PLO abbrechen will. Einheimische und internationale Beobachter gehen davon aus, daß die Kooperation zumindest inoffiziell im bisherigen Umfang fortgesetzt werden wird, weil erstens Israel daran selbst hochgradig interessiert ist und weil zweitens eine Verweigerung auf diesem Gebiet die Kluft zu seinen Verbündeten noch mehr vertiefen würde.

Es stand schon länger fest, daß die Staaten der EU grundsätzlich bereit sind, mit der neuen palästinensischen Regierung zusammenzuarbeiten und sie finanziell zu unterstützen, sofern sie sich an die früher vereinbarten Prinzipien hält: Anerkennung Israels und der geschlossenen Verträge sowie Gewaltverzicht. Nicht so sicher war die Reaktion Washingtons. Für vorläufige Klarheit sorgte die Sprecherin des State Department, Jennifer Psaki, während ihrer regulären Pressekonferenz am Montag: Aufgrund der jetzigen Erkenntnisse werde man mit der Palästinenserregierung weiter zusammenarbeiten, allerdings deren Agieren genau beobachten und gegebenenfalls die eigene Politik entsprechend »neu einstellen«. Es sei »zu diesem Zeitpunkt« nicht beabsichtigt, die Zahlungen zu unterbrechen oder zu kürzen. Offiziell handelte es sich in der Vergangenheit um rund 500 Millionen Dollar jährlich, die allerdings im vorigen Finanzjahr 2012–2013 auf 440 Millionen reduziert wurden – vermutlich im Rahmen der allgemeinen Etatkürzungen.

Der Republikaner Edward Royce, der im einflußreichen Außenpolitischen Ausschuß des Abgeordnetenhauses den Vorsitz führt, und sein Parteifreund Eric Cantor kritisierten die Entscheidung der US-Regierung scharf. Sie verwiesen dabei auf ein Gesetz, das es ausdrücklich untersagt, eine von der Hamas mitgetragene Regierung zu unterstützen.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 4. Juni 2014


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