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Israels Bauernopfer

Im besetzten Jordantal kämpfen Palästinenser um Land und Wasser. Siedler sprechen von »Pufferzone«

Von Pierre Klochendler, IPS *

Der israelische Siedler Gadi Blumenfeld verteilt Macheten an 15 palästinensische Arbeiter, mit denen sie die scharfen Dornen an den Dattelpalmwedeln entfernen sollen. »Ich könnte zwar hinterrücks erstochen werden«, sagt er. »Doch mit Hilfe der Landwirtschaft halten wir die Gegend von Terroristen frei.« Die Zukunft des von Israel besetzten Jordantals, wo etwa 56000 Palästinenser und 7000 jüdische Siedler leben, läßt sich allerdings ebenso wenig vorhersagen wie der Regen. Ein Entwurf der US-Regierung für ein Rahmenabkommen für eine Zweistaatenlösung soll der Siedlungspolitik Israels im Jordantal ein Ende bereiten. Darin vorgesehen ist aber auch eine israelische Militärpräsenz von zehn Jahren.

Blumenfeld schaut stolz auf seine Datteln, die er »Früchte unseres Hirns und ihrer Hände« nennt. 400 Tonnen erstklassige Medjoul-Datteln ließ er im vergangenen Jahr pflücken. »Wir haben die Wüste zum Blühen gebracht«, rühmt er sich. »Es ist ein Wunder.« Auch Ameen Al-Masri ist stolz auf seine Datteln. Seine Plantage ist nur wenige Kilometer von der des Israelis entfernt. »Dies ist das fruchtbarste Gebiet in Palästina für den Anbau in der Nebensaison«, sagt der Palästinenser. Sein Land ist genauso groß wie das von Blumenfeld. »Für dieses Paradies auf Erden zahlen wir einen hohen Preis. Von den Siedlungen und den Militärbasen aus wird unser Land überwacht.« Nachdem Israel das Jordantal im Sechstagekrieg 1967 erobert hatte, wurden zahlreiche palästinensische Bauern enteignet. Auf ihrem Land entstanden israelische Siedlungen und Armeelager. Das Jordantal umfaßt mehr als 28 Prozent des Terrains des Westjordanlands. Es ist das größte palästinensische Gebiet, das unter vollständiger israelischer Militär- und Verwaltungskontrolle steht.

»Das Jordantal ist eine strategische Pufferzone zwischen einem Palästinenserstaat und dem Jordan. Es muß weiter unter israelischer Souveränität bleiben, denn dadurch wird verhindert, daß Dschihadisten, Al-Qaida-Mitglieder und Salafisten nach Israel eindringen«, glaubt David El-Haiiani, Vorsitzender des Nationalrats des Jordantals, der 21 jüdische Siedlungen vertritt. Am 29. Dezember 2013 stimmte die israelische Regierung allerdings einen Gesetzentwurf zu, der, sollte er das Parlament passieren, den Anschluß der Siedlungen im Westjordanland und aller Straßenverbindungen an Israel bedeuten würde.

»Ich bin ein friedliebender Mensch, ein Bauer«, erklärt dagegen Al-Masri. »Und dennoch müssen Bauern um ihr Land kämpfen.« Viele Palästinenser, die in der Region leben, sind Hirtennomaden, die Saisonanbau betreiben. Die meisten sind bitterarm und arbeiten auf Land, das ihnen nicht gehört. »Wer nicht für die Siedler arbeitet, hat überhaupt keine Arbeit«, meint ein Palästinenser, der Paprikaschoten in Patsa’el pflückt. Der Schafhirte Ayman e-Dies hat sein Zuhause verloren. Seine Hütte und sein Tiergehege wurden im vergangenen Jahr zwei Mal zerstört, das letzte Mal kurz vor dem Winter. »Die israelischen Behörden erteilen einem ein Leben lang keine Genehmigung«, sagt er, während er auf den Trümmern seiner ehemaligen Bleibe steht. Israel rechtfertigt die geringe Zahl von Baugenehmigungen mit sicherheitspolitischen Erwägungen.

In einem abgeschlossenen Militärgebiet wird gerade ein Wasserspeicher gebaut, um die Bewässerungsleistung von vier israelischen Reservoirs und zwölf artesischen Brunnen zu verbessern. Die Siedler beziehen Süßwasser aus einem tiefliegenden Aquifer, aus dem Jordan und aus Sturzfluten. Die palästinensischen Bauern müssen dagegen auf Regen warten. Alternativ können sie eine nicht in allen Jahreszeiten verfügbare Quelle und vier artesische Brunnen nutzen. 2013 ernteten die Siedler rund 11000 Tonnen Datteln, die zumeist exportiert wurden. Die Palästinenser brachten dagegen nur 2000 Tonnen der Früchte hervor, die vorwiegend für lokale oder israelische Märkte bestimmt waren. »Das beste Geschäft ist heute die Besatzung«, sagt Al-Masri.

Einem Bericht der Weltbank zufolge könnten die Palästinenser 918 Millionen Dollar jährlich erwirtschaften, wenn sie im Süden des Jordantals Mineralien aus dem Toten Meer ausbeuten dürften. Hätten sie Zugang zu mehr urbarem Land und Wasser, wären weitere 704 Millionen Dollar möglich. Das Jordantal könnte dann der Brotkorb der Palästinenser werden. »Ich möchte keinen Staat nur auf dem Papier, in dem Israel unsere Rohstoffe und Grenzen kontrolliert«, sagt Mahmoud Daraghmeh, ein arbeitsloser palästinensischer Ingenieur, der auf dem Grundstück seiner Familie Sojabohnen zieht. »Das ist keine Freiheit und kein Staat.«

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 22. Januar 2014


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