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Hungerstreik beendet

Vereinbarung palästinensischer Gefangener mit israelischen Behörden

Von Karin Leukefeld *

Nach zwei Monaten wollen 63 palästinensische Gefangene ihren Hungerstreik gegen die israelische Administrativhaft beenden. Andere Quellen sprechen von 80 Gefangenen. Ein Anwalt, Aschraf Abu Snena, sagte, man habe mit den israelischen Behörden »Vereinbarungen« erreicht. Die Häftlinge würden den Hungerstreik mit Beginn des bevorstehenden Fastenmonats Ramadan am Samstag aussetzen. Sivan Weizman, Sprecherin der israelischen Gefängnisbehörde, bestätigte die Angaben. Man habe eine »kurzfristige Vereinbarung« erreicht, die »weder die Aufhebung noch die Abschaffung der Administrativhaft« enthalte.

Nach Angaben von Schauki Al-Ajasa, Minister für die Angelegenheiten der Gefangenen in der palästinensischen Regierung, sei »ein Großteil der Forderungen« erfüllt worden. Der Vorsitzende der Hilfsorganisation für die palästinensischen Gefangenen, Kadura Fares, sagte, daß die Gefangenen in die Haftanstalten zurückverlegt, die Isolationshaft aufgehoben und Familienbesuche wieder zugelassen würden. Man könne aber »nicht von einem klaren, großen Sieg« sprechen.

Die Gefangenen hatten seit dem 24. April 2014 jede Nahrungsaufnahme verweigert, einige von ihnen waren in Krankenhäuser eingewiesen worden. Um den Widerstand möglichst lange fortsetzen zu können, nahmen die Gefangenen Wasser, Vitamine und Salze zu sich. Hunderte Gefangene hatten sich aus Solidarität für einen oder mehrere Tage dem Streik angeschlossen. Das israelische Parlament hat in mehreren Lesungen ein Gesetz zur Zwangsernährung von Gefangenen beraten.

Die Hungerstreikenden fordern die Abschaffung der Administrativhaft, mit der Israel Personen ohne Anklage und ohne Verfahren sechs Monate festhalten kann. Nach Ablauf dieser Frist läßt sich die Haft fortwährend verlängern. Die Strafmaßnahme stammt aus der Zeit des britischen Protektorats über Palästina (1920–1948). Etwa 200 der rund 5500 palästinensischen Gefangenen werden auf diese Weise festgehalten. In den letzten zehn Tagen dürfte sich die Zahl enorm erhöht haben. Seit dem Verschwinden von drei israelischen Jugendlichen aus einer illegalen Siedlung im Westjordanland am 10. Juni haben die israelischen Streitkräfte mehr als 371 Palästinenser in Administrativhaft genommen. 280 der neuen Gefangenen sind Mitglieder oder Unterstützer der Hamas. Israel beschuldigt die Hamas, die drei Jugendlichen entführt zu haben. Der Vorsitzende der Hamas, Khalid Meschaal, erklärte, seine Organisation habe »keinerlei Erkenntnisse, wo die Jungen« seien.

International wird die Administrativhaft Israels verurteilt. Anfang Juni hatte der UN-Generalsekretär Ban Ki Moon Israel aufgefordert, den hungerstreikenden Gefangenen entweder den Prozeß zu machen oder sie freizulassen. Unterstützung erhielten die Palästinenser von der Linksfraktion im Europäischen Parlament. Die EP-Abgeordneten forderten die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton und Ratspräsident Herman Van Rompuy auf, die israelische Regierung zur Abschaffung der »ungerechten Administrativhaft« zu bewegen, die einen Verstoß gegen die vierte Genfer Konvention bedeute. Die israelische Rechtsanwältin Felicia Langer rief in einer Erklärung der »Europäischen Vereinigung zur Verteidigung der palästinensischen Gefangenen« dazu auf, »das Schweigen zu brechen«. Der Bruch des Völkerrechts durch Israel müsse verurteilt werden, so Langer. »Wer angesichts der Unterdrückung schweigt, macht sich zum Komplizen.«

Die Repression der israelischen Armee gegen die palästinensische Bevölkerung des Westjordanlandes geht indes weiter. Am Mittwoch wurden weitere 70 Häuser durchsucht, zwei 13- und 14jährige Jugendliche wurden festgenommen. Während der Durchsuchung ihrer Wohnung im Flüchtlingslager Al-Arrub erlitt die 78jährige Fatima Ismail Issa Ruschidi einen Herzinfarkt und starb. Der Rote Halbmond evakuierte mehr als 20 Familien aus ihren Häusern, die von den israelischen Soldaten massiv mit Tränengas beschossen worden waren.

* Aus: junge Welt, Freitag 27. Juni 2014


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