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Die Zeit verrinnt – und die Friedenshoffnung

Obama beschwört gegenüber Abbas dennoch die Chance auf einen Erfolg bei den Nahostverhandlungen

Von Max Böhnel, New York *

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas ist am Montag im Weißen Haus von US-Präsident Barack Obama zu »harten Entscheidungen« aufgefordert worden.

Zwei Wochen nach dem US-Besuch von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wollte Obama mit Abbas ausloten, wie die festgefahrenen Friedensverhandlungen mit Blick auf die Zwei-Staaten-Lösung gerettet werden können. Dazu seien »harte Entscheidungen« nötig, darüber hinaus müssten »Risiken« eingegangen werden, sagte Obama. Es seien noch zahlreiche Fragen zu klären. Trotz aller Schwierigkeiten »bleiben wir weiter überzeugt, dass eine Chance besteht«, fügte er hinzu. Er bekräftigte, es müsse zwischen Israelis und Palästinensern territoriale Kompromisse auf Grundlage der Grenzen vor 1967 geben. Darin eingeschlossen sei ein »einvernehmlicher Gebietstausch«, der die Sicherheit Israels und einen palästinensischen Staat gewährleisten könne. Ziel sei es, dass Israelis und Palästinenser friedlich nebeneinander lebten.

Abbas sagte, es sei »keine Zeit mehr zu verlieren. Die Zeit ist nicht auf unserer Seite.« Tags zuvor hatte Abbas bereits mit US-Außenminister John Kerry konferiert.

Ursprünglich hatte das Weiße Haus zur Ausarbeitung eines endgültigen Friedensvertrags zwischen Israel und den Palästinensern Ende April anvisiert. Doch da es seit Wiederaufnahme der bilateralen Treffen und Verhandlungen unter Vermittlung Kerrys im Juli letzten Jahres zu keinerlei Fortschritten kam, war nur noch die Rede von Rahmenvereinbarungen.

Inzwischen sind selbst die zweifelhaft. Besonders strittig sind neben der Grenzziehung der Status von Ost-Jerusalem, die israelischen Siedlungen und das Rückkehrrecht palästinensischer Flüchtlinge. Letzteres wollte Netanjahu bei seiner Visite in Washington vom Verhandlungstisch nehmen, indem er eine zusätzliche Hürde errichtete und die Palästinenser aufforderte, sie müssten vor weiteren Verhandlungen Israel als »jüdischen Staat« anerkennen. Abbas lehnt dies unter Hinweis auf das Recht auf Rückkehr und Kompensation sowie auf die diskriminierte palästinensische Minderheit in Israel ab. Stattdessen wies er darauf hin, dass die PLO 1988 das Existenzrecht Israels und 1993 den Staat Israel formal anerkannt hätte.

Netanjahu war für seine Forderung auch von Kerry kritisiert worden. Es sei ein »Fehler, das immer und immer wieder als bestimmenden Maßstab bei der Entscheidung für einen Staat und für Frieden anzuführen«. Damit legte Kerry nahe, Netanjahu habe mit der unannehmbaren Forderung an die Adresse der Palästinenser weitere Verhandlungen sabotiert. Dasselbe hatte die israelische Zeitung »Haaretz« am Sonntag in einem Leitkommentar als Argument gegen Netanjahu angeführt.

Der palästinensische Verhandlungsleiter Saeb Erakat gab sich am Montag gegenüber Journalisten pessimistisch. Israel habe seit Verhandlungsbeginn mehr als 10000 Siedlerwohnungen errichten und dazu über 200 Häuser von Palästinensern niederreißen lassen.

Abbas wies im Gespräch mit Obama auf ein Versprechen Israels hin, das Kerry abgerungen hatte. Am 29. März sollen demnach palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen entlassen werden. Mit der Einhaltung dieses Versprechens werde Israel die Ernsthaftigkeit seiner Friedensbereitschaft unterstreichen, sagte der Palästinenserpräsident.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 19. März 2014


Ein bisschen Spott zum Abschied

Roland Etzel zum Abbas-Besuch in Washington **

Mahmud Abbas ist ein bedauernswerter Politiker. Nicht nur, dass er seit zehn Jahren schon Präsident eines nach wie vor Nichtstaates ist; die Chance, dass sich dieser Umstand in naher Zukunft zum Positiven hin ändern könnte, ist am Dienstag nach seinem Besuch in Washington wieder etwas geringer geworden.

Das heißt: Viel größer war sie in Wirklichkeit auch vorher nicht. Dass Gastgeber Obama voriges Jahr so gewaltig die Backen aufblies und von seinem Willen zu einer Nahostlösung bis Ende April 2014 sprach, hat schon damals kaum jemand ernst genommen, vor allen Dingen diejenigen nicht, die diesen Frieden schließen sollten. Nun, da der Termin nahe ist, erfolgt der sehr viel leisere Offenbarungseid.

Israels Premier erfuhr schon zu Monatsbeginn, sicher nicht ohne Genugtuung, dass sich am Status quo vorläufig nichts ändern wird. Nun also auch die Aufforderung an Abbas, »kompromissbereit zu sein« und erstmal bis zum Jahresende weiterzuverhandeln. Der Öffentlichkeit ließ Obama mitteilen, er habe Abbas »zu schwierigen Entscheidungen« ermutigt. Man darf das wohl ein bisschen Spott zum Abschied nennen, denn eine dieser Entscheidungen steht jetzt schon an: Abbas muss zurückkehren und seinem Volk erklären, warum dies einmal mehr mit leeren Händen geschieht.

** Aus: neues deutschland, Mittwoch, 19. März 2014 (Kommentar)


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