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Holzmafia stoppen

Regionalregierung im Norden Pakistans will verbliebene Waldgebiete schützen. Umfangreiches Maßnahmepaket auf den Weg gebracht

Von Thomas Berger *

Die Regionalregierung der Provinz Khyber Pakthunkhwa hat sich eines Problems angenommen, das nicht viele mit Pakistan in Verbindung bringen: Des illegalen Kahlschlags in den verbliebenen Waldbeständen. Im vergangenen Jahr hatte die in der nördlichen Provinz regierende Partei des früheren Kricketstars Imran Khan, die liberalkonservative Pakistan Tehreek-e-Insaf (PTI), eine entsprechende Offensive gestartet. Zu Beginn dieses Jahres wurde der Druck auf die Holzmafia verstärkt.

Rund 100 Milliarden Pakistanische Rupien (knapp 900 Millionen Euro) hat der illegale Einschlag während der letzten zehn Jahre an Schäden angerichtet, so die Schätzungen von Imran Khan. Während der Profit in die Taschen Krimineller fließt, zu deren Netzwerk auch zahlreiche korrupte Mitarbeiter staatlicher Stellen gehören, hat die breite Bevölkerung unter den ökologischen Folgen zu leiden. So sind die Zerstörungen durch Hochwasser bei heftigen Monsunregen weitaus stärker als zuvor. Die Flutkatastrophe im August 2010 wäre zwar auch mit mehr Wald nicht verhindert worden – der Bewuchs hätte den Wassermassen aber mehr Widerstand entgegensetzen können als die kahlen Flächen, so Experten schon in der damaligen Analyse. Die Flut fegte zudem eine große Anzahl geschlagener Stämme hinweg, die zum Abtransport bereitlagen. Außer Kontrolle beschädigten sie Brücken und Uferbefestigungen oder brachten sie zum Einsturz.

4,4 Millionen Hektar Wald hat Pakistan heute noch vorzuweisen. Das ist ein trauriger Restbestand. Pro Jahr, so die Schätzungen von Behörden, Umweltaktivisten und unabhängigen Fachleuten, nimmt die Zahl mindestens um weitere 27.000 Hektar ab. Es wäre zuviel erwartet, dass dies durch die angeschobene Kampagne schnell geändert werden könnte. Es ist ein Anfang. Die von der PTI gestellte Administration in der Region an den Ausläufern des Himalaia setzt darauf, durch aktive Einbeziehung der Bevölkerung den Banden das Handwerk zu legen – oder den Holzraub zumindest deutlich zu erschweren und unattraktiver zu machen. Zu dem Maßnahmepaket gehört beispielsweise die Erlaubnis, dass Dorfbewohner illegale Holzfäller, die sie auf frischer Tat ertappen, selbst festnehmen dürfen. Überdies soll in nächster Zeit eine Art Waldpolizei aufgebaut werden. Die Provinzregierung stellt insgesamt eine Milliarde Rupien (knapp neun Millionen Euro) zur Verfügung, um die Truppe mit Fahrzeugen, Waffen und weiterer Technik auszustatten. Ein Geografisches Informationssystem (GIS) soll eingeführt werden, um die Waldflächen effektiver als bisher im Blick zu behalten.

Im Februar hatte die Regierung in Khyber Pakhtunkhwa mehrere Mitarbeiter des Forest Department festgenommen, die mutmaßlich von der Holzmafia geschmiert worden waren. Korrupte Personen aus den Verwaltungen zu entfernen, ist eine der Herausforderungen, wenn es tatsächlich gelingen soll, die illegalen Netzwerke zu schwächen oder gar zu zerschlagen. Pakistanische Staatsdiener sind schlecht bezahlt. Nicht selten kommt das Gehalt nicht einmal pünktlich. Wenn die Verbindungsleute der Holzmafia mit einem dicken Bündel Scheine wedeln, wird schnell einmal weggeschaut, wo durchgegriffen werden müsste.

Mit ihren enormen finanziellen Ressourcen sind die kriminellen Netzwerker staatlichen Stellen und Selbsthilfegruppen der Bürgerschaft um Längen voraus. Umweltschutzverbände wie zum Beispiel des »Himalayan Conservation Welfare Movement« fordern deshalb mehr direkte Unterstützungszahlungen an die Dörfler, die sich zum Schutz der Wälder in ihrer Nachbarschaft organisieren sollen. Damit die verbreitete Armut nicht länger ein Motor illegalen Einschlags ist, wird zudem angemahnt, den staatlichen Aufkaufpreis für legal geschlagenes Holz deutlich zu erhöhen. Bisher liegt dieser bei fünf bis zehn Prozent des Ertrages, den Einwohner für sich erzielen können, wenn sie illegal Hand anlegen.

Aftab Mehmood von der Waldbehörde der Region Gilgit-Baltistan gehört zu jenen Staatsdienern, die ungeachtet aller Widrigkeiten mit Elan gegen die Seilschaften der Mafia vorgehen. Bei weiteren Punkten des Maßnahmeplans müsse aber noch dringend nachgebessert werden, wird er in einem Artikel der Thomson Reuters Foundation zitiert. So sei es in den zurückliegenden Monaten den Dorfkomitees zwar gelungen, 30 Mitglieder solcher Banden festzunehmen. Ein Großteil sei aber schon wieder auf freiem Fuß. Mit einem neuen Gesetz, über das im Provinzparlament voraussichtlich im Mai abgestimmt werden soll, würden die Strafen für solche Vergehen erstmals abschreckend. Statt maximal sechs Monaten Haft sollen bis zu sieben Jahre drohen – sowie empfindliche Bußgelder.

Regionalregierungschef Imran Khan hat sich die Initiative auch persönlich zu eigen gemacht. Es gehe darum, die wenigen verbliebenen Waldgebiete für die nächsten Generationen zu bewahren, appellierte er im März im TV-Nachrichtenkanal Dunya News. Im Blick hat er dabei auch, die Wälder wirtschaftlich auf alternativen Wege zu nutzen, statt einfach Bäume zu fällen und das Holz zu verkaufen. Leere Flächen, die Wassermassen und Bodenerosion kaum Widerstand leisten und zugleich den globalen Klimawandel vorantreiben, könnten nicht das Ziel der Waldwirtschaft sein.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 9. April 2015


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