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Mehr Krieg als Frieden

Verhandlungen der pakistanischen Regierung mit den Taliban stagnieren, während Konflikt mit den belutschischen Nationalisten eskaliert

Von Knut Mellenthin *

Kämpfe zwischen konkurrierenden Taliban-Gruppen und schwere Anschläge belutschischer Nationalisten kennzeichnen die aktuelle Lage in Pakistan, während der Fortgang der Friedensgespräche zwischen Regierung und Taliban-Führung ungewiß ist.

Die Verhandlungen mit dem bedeutendsten Verband bewaffneter Fundamentalisten, der TTP, hatten im Februar begonnen. Dieser Dachorganisation gehören nach unterschiedlichen Darstellungen bis zu 60 Einzelgruppen an. Die Friedensgespräche mit der Regierung werden von einigen Taliban-Kommandeuren grundsätzlich in Frage gestellt. Einige Kleingruppen, deren genaues organisatorisches Verhältnis zur TTP unklar ist, versuchten von Anfang an, die Gespräche durch provokatorische Aktionen zu torpedieren.

Das führte im Februar zum vorübergehenden Abbruch der Verhandlungen. Sie wurden erst wieder aufgenommen, nachdem die TTP am 1. März einen einseitigen Waffenstillstand für die Dauer eines Monats verkündete. An diesen hält sich unausgesprochen auch das pakistanische Militär. Ende März verlängerte die TTP die Waffenruhe kurzzeitig bis zum Donnerstag voriger Woche. Am Freitag sollte eine Schura – eine Kommandeurs- und Ältestenversammlung der Rebellen – entscheiden, wie weiter verfahren werden soll. Ob diese Versammlung überhaupt stattfand, ist nicht bekannt. Am gestrigen Montag meldeten pakistanische Medien erneut den Beginn der Schura, ohne schon Ergebnisse mitzuteilen. All das deutet auf schwierige Diskussionen hin.

Indessen kam es seit dem 6. April an mehreren Schauplätzen zu bewaffneten Kämpfen zwischen Rebellengruppen, die angeblich alle formal Teil der TTP sind. In der Region Khyber, die zu den an Afghanistan grenzenden sogenannten Stammesgebieten im Nordwesten gehört, wurden am Sonnabend zwischen 40 und 100 Männer von konkurrierenden Aufständischen entführt. Sie hatten an einer illegalen »Verkaufsmesse« teilgenommen, bei der mit riesigen Mengen Opium und Haschisch gehandelt wurde. Hunderte Kilo dieser Drogen wurden angeblich von den Angreifern abtransportiert. Am Sonntag wurden 34 der Entführten wieder freigelassen. Ob es dabei wirklich nur um einen Bandenkrieg wegen außergewöhnlich hoher Werte ging, ist bisher unklar. Der Vorfall ereignete sich im Tirah-Tal, wo es in den letzten Monaten immer wieder zu Kämpfen zwischen zwei Taliban-Gruppen gekommen war, von denen eine, den Berichten zufolge, im Dienst der Armee und ihres Geheimdienstes steht.

In einer anderen Region der Stammesgebiete, im Grenzgebiet zwischen Süd- und Nordwasiristan, starben seit dem 6. April ungefähr 70 Taliban bei Kämpfen zwischen zwei rivalisierenden Gruppen. Angeblich handelt es sich um Auseinandersetzungen, die auf den Nachfolgestreit um die Führung der TTP zurückgehen. Dieser war entbrannt, nachdem die US-Regierung im November vorigen Jahres den damaligen TTP-Chef Hakimullah Mehsud durch Drohnenraketen ermorden ließ. Die möglichst häufige Ausschaltung von Führungspersönlichkeiten, oft schon wenige Monate nach ihrer Wahl, ist ein anscheinend sehr erfolgreiches Mittel der CIA, die pakistanischen Taliban zu destabilisieren und in fast permanenten Nachfolgekämpfen zu halten.

Während die Regierung zur TTP immerhin Kontakt aufgenommen hat, beschränken sich ihre »Angebote« an die nationalistischen und teilweise auch separatistischen Gruppen in der Provinz Belutschistan bisher auf schöne, aber leere Worte. In der vergangenen Woche gab es zwei schwere Anschläge, zu denen sich Vereinigte Belutschische Armee (UBA) bekannte – eine von zahlreichen Organisationen dieser Art. Am Dienstag explodierte eine Bombe in einem normalen Personenzug auf der Strecke nach Rawalpindi. 17 Menschen wurden getötet, über 40 weitere verletzt. Am Donnerstag starben 24 Menschen bei einem Anschlag auf dem größten Obst- und Gemüsemarkt der Hauptstadt Islamabad; es gab außerdem 115 Verletzte. Nach eigener Aussage wollte sich die UBA mit ihren Terrorakten gegen absolut unbeteiligte Menschen dafür rächen, daß das Militär am vorausgegangenen Wochenende mindestens 30 ihrer Kämpfer getötet hatte.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 15. April 2014


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