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Kampfansage an "Relikt der Vergangenheit"

Pakistans Volkspartei will Macht des Präsidenten beschneiden und schlägt bedeutende Verfassungsänderungen vor

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Pakistans Volkspartei (PPP) hat am Sonnabend ein aus 62 Vorschlägen bestehendes Paket zu Verfassungsänderungen vorgelegt. Die meisten davon zielen auf eine Beschneidung der Vollmachten des Staatspräsidenten. Dieses Amt hat General a.D. Pervez Musharraf seit seinem Putsch im Oktober 1999 inne. PPP-Chef Asif Ali Zardari hatte vorige Woche Musharraf als »Relikt der Vergangenheit« bezeichnet, das zwischen Volk und Demokratie steht. Demokratie und Diktatur schließen sich aus, erklärte er am Sonnabend. Die PPP wolle den Präsidenten nicht aus dem Amt jagen, sondern ihn zum Rücktritt veranlassen, äußerte Zardari.

Die Ergänzungen sehen u.a. vor, dem Staatsoberhaupt die Befugnis zu entziehen, das Parlament aufzulösen und die Regierung zu kippen. Seine Amtszeit wird auf zwei Durchgänge beschränkt. Nicht der Präsident, sondern der Regierungschef soll die Provinzgouverneure und die Chefs der Teilstreitkräfte ernennen. Richter, die die Militärherrschaft sanktionieren, werden sofort entlassen und wegen Landesverrats angeklagt.

Die von Musharraf im November 2007 im Zuge des Ausnahmezustands gefeuerten Richter, so sieht ein weiterer Passus vor, kehren in ihr Amt zurück. Der Chefrichter des Höchsten Gerichts soll künftig drei Jahre im Amt bleiben. Die Minderheiten erhalten eine Vertretung im Senat, dem Oberhaus des Parlaments. Aus jeder Provinz wird ein Repräsentant in den Senat gewählt. Die Provinzen bekommen mehr Autonomie, und die bisherige Nordwest-Grenzprovinz wird -- dem Wunsch der dortigen paschtunischen Bevölkerung entsprechend -- in »Pakhtunkhwa« (etwa: Paschtunenland) umgetauft.

Asif Ali Zardari und Justizminister Faruk H. Naek wollen über das »Paket« Konsultationen mit den Koalitionspartnern, der Muslimliga von Nawaz Sharif, der Muttahida-Qaumi-Bewegung und der Awami National Party, beginnen. Auch mit Präsident Musharraf soll ein Dialog darüber augenommen werden. Unübersehbar ist, daß mit den Verfassungsänderungen die Rolle des Parlaments, des Premierministers und der Regierung -- das demokratische System insgesamt -- gestärkt werden sollen. Musharrafs Reaktion wird mit Spannung erwartet.

* Aus: junge Welt, 27. Mai 2008


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