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Fast alles spricht für Ramos-Horta

Osttimor wählt neuen Präsidenten

Von Carsten Hübner *

Am heutigen Mittwoch (9. Mai) sind mehr als 500 000 Bürger Osttimors dazu aufgerufen, in einer Stichwahl über einen neuen Präsidenten zu entscheiden. Bewerber sind der derzeitige Premierminister José Ramos-Horta und der Kandidat der Regierungspartei Fretilin, Francisco Guterres.

Er geht als klarer Favorit in die zweite Runde: Der international renommierte Friedensnobelpreisträger Jose Ramos-Horta, dessen Kandidatur als »Parteiloser« für die Präsidentschaft in Osttimor vom bisherigen Amtsinhaber Xanana Gusmao unterstützt wird. Auf der Abschlussveranstaltung seiner Wahlkampagne am Sonntag in der Hauptstadt Dili, an der einige tausend Menschen teilnahmen, riefen nahezu alle Parteien und fünf der sechs gescheiterten Erst-rundenkandidaten ihre Anhänger dazu auf, für Ramos-Horta zu stimmen. »Ramos-Horta ist der richtige Mann, um Osttimor zu führen«, sagte Xavier do Amaral, Kandidat der Timorischen Sozialdemokratischen Vereinigung (ASDT), der im ersten Wahlgang 13 Prozent der Stimmen auf sich vereinigt hatte.

Auch Fernando de Aráujo und Joao Carrascalao von der konservativen Demokratischen Timorischen Union (UDT) sprachen sich für den derzeitigen Premierminister als neuen Präsidenten aus. Aráujo schnitt beim ersten Wahlgang am 9. April überraschend gut ab. Der besonders von jungen Wählern und Studenten unterstützte Kandidat der Demokratischen Partei (DP) lag mit mehr als 19 Prozent als dritter von insgesamt acht Bewerbern nur knapp hinter dem zweitplatzierten Ramos-Horta und dem Kandidaten der Regierungspartei Fretilin, Francisco Guterres, die auf 22 beziehungsweise 28 Prozent kamen und damit die für einen Sieg erforderliche absolute Mehrheit deutlich verfehlten.

Dank der breiten Unterstützung, scheint Ramos-Horta nun Guterres überflügeln zu können. »Ich bin bereit, Osttimor zu einigen«, rief Ramos-Horta der Menge zu. Er sei sicher, die Stichwahl für sich entscheiden zu können. »Ich bin in der Lage, mit jedem und jeder Gruppe zu sprechen. Ich habe ein gutes Verhältnis zur Kirche, zur internationalen Gemeinschaft und zu vielen anderen. Ich habe sogar Unterstützung aus den Reihen der Fretilin«, sagte er nach seiner Rede vor Journalisten. Mit der fast einhelligen Unterstützung für Ramos-Horta scheint sich die Polarisierung zwischen nahezu der gesamten politischen Opposition auf der einen und der ehemaligen Befreiungsbewegung und derzeitigen Regierungspartei Fretilin auf der anderen Seite weiter zu verschärfen. Diese warf Ramos-Horta vor, eine »schmutzige Kampagne« losgetreten zu haben. »Ich bin jedoch sicher: Die Wähler werden erkennen, wer mit fairen Mitteln kämpft«, sagte Harold Moucho, Berater des Fretilin-Kandidaten Francisco Guterres, gegenüber der indonesischen Tageszeitung »The Jakarta Post«. Er sei zuversichtlich, Fretilin werde auch aus der Stichwahl als Sieger hervorgehen.

Stärkstes Bindeglied zwischen den Oppositionsparteien ist in der hauptsächlich von Personen und weniger von Programmen bestimmten Politik Osttimors die Kritik an der übermächtigen Rolle der Fretilin, die weite Teile der staatlichen Institutionen kontrolliert und für Misswirtschaft und Korruption verantwortlich gemacht wird. Außerdem sei sie mit ihrer unversöhnlichen Haltung für die zunehmende Spaltung des Landes in Ost und West verantwortlich. Nach der Meuterei von 600 Soldaten, die zumeist aus dem Westteil des Landes stammten und gegen ihre anhaltende Diskriminierung in der von Offizieren aus dem Osten des Landes dominierten Armee protestiert hatten, war es Ende April vergangenen Jahres zu schweren Ausschreitungen gekommen, die sich schnell auf die gesamte Hauptstadt ausgebreitet hatten. Erst die Ablösung des damaligen Premierministers Mari Alkatiri (Fretilin) durch eine Übergangsregierung unter Ramos-Horta hatte die Situation etwas beruhigen können.

Bei immer wieder aufflammenden Kämpfen sind seither rund 50 Menschen getötet worden. Noch immer leben Zehntausende in Flüchtlingslagern der UNO oder bei Verwandten. Für die Sicherheit des Landes ist seither eine mehrere tausend Mann starke internationale Militär- und Polizeitruppe zuständig.

* Aus: Neues Deutschland, 9. Mai 2007


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