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Die geschmierte Branche

Nigeria bringt überfällige Reform der Ölindustrie auf den Weg

Von Thomas Nitz *

Höhere Steuern, weniger Korruption, mehr Transparenz und eine Umweltabgabe - das sehen die Reformpläne der nigerianischen Regierung für den Erdölsektors vor. Aktivisten geht der Entwurf nicht weit genug.

Nigerias größte Verwundbarkeit liegt in der Abhängigkeit von den Erdölexporten, die mehr als 80 Prozent der Staatseinnahmen ausmachen. Mit 117,4 Millionen Barrel im Jahr 2011 war Nigeria Afrikas größter Ölproduzent. Doch die Förderanlagen und Leitungen sind teils marode, die Produktion stagniert oder ist rückläufig, die Umwelt wird verseucht, Millionen Dollar aus dem Exporterlös verschwinden Jahr für Jahr in dunklen Kanälen. Bisher hat sich jede Regierung als unfähig erwiesen, die Ölmilliarden dem Volk zugute kommen zu lassen. Für eine nachhaltige Entwicklung des Landes ist eine Reform der Erdölwirtschaft daher dringend erforderlich.

Auch Shell, Exxon, Total und Co. drängen auf Reformen. Zwar freuen sich die ausländische Konzerne über günstige steuerliche Bedingungen, minimale Umweltauflagen und geringen Verpflichtungen zu Transparenz. Die ausufernde Korruption und die schlechte Sicherheitslage blockieren jedoch überfällige Investitionen in die Instandsetzung von Anlagen und die Erschließung neuer Ölquellen.

Nach nunmehr vier Jahren steht ein neuer Entwurf des »Pe-troleum Industry Bill« (PIB) kurz vor dem Abschluss. Beschleunigt wurden die Gesetzespläne durch massive Proteste gegen die Verdoppelung der Benzinpreise. Die Regierung strich Anfang des Jahres die Subventionen für Kraftstoffe und kündigte an, die erwarteten Mehreinnahmen von etwa acht Milliarden Dollar in die marode Infrastruktur zu stecken. Doch viele Nigerianer fürchten, das Geld wandere nicht in Straßen, Krankenhäuser und Schulen, sondern direkt in die Taschen korrupter Beamter und Politiker.

Der 223-seitige Gesetzentwurf sieht eine Umstrukturierung der staatlichen Ölgesellschaft NNPC vor. Die Joint Ventures mit internationalen Ölgesellschaften sollen künftig von einer eigenen staatlichen Gesellschaft geregelt werden. Außerdem sieht die neue Regelung elf verschiedenen Formen der Besteuerung des Öl- und Gasgeschäfts vor. Höhere Steuersätze sollen dem Staat mehr Geld einbringen. So wird die Tiefseeförderung mit 25 Prozent auf den Gewinn besteuert, für die Förderung an Land wird das Doppelte fällig. Hinzu kommen eine Körperschaftsteuer von 30 Prozent und Abgaben, die an die Produktionsmenge und den Ölpreis gekoppelt sind. Zehn Prozent ihres Gewinns sollen die Ölkonzerne zudem an Gemeinden abgeben, die unter massiven Umweltschäden zu leiden haben. Ferner wird der unter dem früheren Präsidenten Olusegun Obasanjo eingerichtete Staatsfonds von 400 Millionen auf eine Milliarde Dollar aufgestockt. Nachdem in den Jahren 2007 bis 2011 rund 30 Milliarden Dollar aus dem Fonds verschwanden, soll künftig die Schweizer Großbank UBS bei der Verwaltung helfen.

Doch die Regierungspläne gehen Aktivisten nicht weit genug, vor allem was den Kampf gegen Umweltverschmutzung und Korruption angeht. Musa Rafsanjani von Transparency International fordert eine unabhängige Kon-trolle der Ölindustrie und eine Offenlegung der Zahlungen von Ölunternehmen an den Staat und wofür das Geld verwendet wird.

Hingegen kritisieren die Firmen, die höhere Steuern und Abgaben würden nötige Investitionen, um die Förderung anzukurbeln, gefährden. Bereits jetzt führe die Ölindustrie 86 Prozent ihres Reingewinns an die Regierung ab. Von dem neuen Gesetz würden zuletzt andere erdölexportierende Länder in Afrika wie Angola profitieren, die Investoren anziehen.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 17. Oktober 2012


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