Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Tödlicher Konflikt um Land

50 Menschen bei Gewalt zwischen zwei Volksgruppen in Nigeria ums Leben gekommen

Von Thomas Berger *

Für Nigeria war es ein blutiger Start ins neue Jahr: Eine Eskalation zwischen zwei ethnischen Gruppen des Vielvölkerstarts hat 50 Todesopfer gefordert. Zudem kann die Tatsache, daß es zunächst keine neuerlichen Anschläge der radikalislamischen Gruppe Boko Haram gegeben hat, nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Lage angespannt bleibt und die Neujahrsfeierlichkeiten vielerorts von der Präsenz großer Aufgebote schwerbewaffneter Polizisten überschattet waren. In der Hauptstadt Abuja waren mehrere Objekte großräumig abgeriegelt. In einigen Landesteilen herrschte zum Jahreswechsel zudem der Ausnahmezustand, den Präsident Goodluck Jonathan am letzten Tag des alten Jahres verhängt hatte. In den vier Bundesstaaten Borno, Plateau, Yobe und Niger haben die Sicherheitskräfte damit besondere Befugnisse.

Der jüngste gewaltsame Vorfall hat mit dem Terror von Boko Haram nichts zu tun. Bereits seit über drei Jahren gibt es im Bundesstaat Ebonyi einen Landkonflikt zwischen Angehörigen der Volksgruppen Ezza und Ezilo, zwei von über 120 ethnischen Gemeinschaften des Landes. Eigentlich schien er beigelegt, doch nun flackerten die Feindseligkeiten mit tödlicher Konsequenz erneut auf, als nach Angaben eines Regierungssprechers eine Gruppe der Ezza eine Nachbarsiedlung der Ezilo überfiel. Der Gouverneur des Teilstaates und dessen Polizeichef begaben sich umgehend in das Gebiet, um sich ein Bild von der Lage zu machen.

Auch wenn es sich um den Streit zweier Gemeinschaften handelt, so illustriert der Vorfall, unter welchem Berg von Problemen die Regierung von Afrikas bevölkerungsreichstem Land leidet. Nicht nur die generelle Trennung in einen islamischen Norden und einen christlich-animistisch

Mehrere Terrorakte von Boko Haram seit Sommer 2011 haben jetzt den Fokus auf das Erstarken fundamentalistischer Kräfte im streng islamischen Norden gelenkt. Die Sekte hat am Montag die im Norden Nigerias lebenden Christen aufgefordert, den hauptsächlich von Muslimen bewohnten Landesteil umgehend zu verlassen. Sie stellte den Christen laut AFP ein »Ultimatum von drei Tagen«, um den Norden Nigerias zu verlassen. Zudem sollten Muslime, die im hauptsächlich von Christen bewohnten Süden des Landes lebten, in den Norden zurückkehren. Es gebe »Beweise«, daß die Muslime im Süden bald angegriffen würden.

Boko Haram war 2002 gegründet worden. Ihr ursprünglicher Anführer Mohammed Yusuf wurde 2009 bei Kämpfen zwischen den Islamisten und den Sicherheitskräften getötet. Im zurückliegenden Jahr hat die Gruppierung mehr Anschläge ausgeführt als jemals zuvor. Dazu gehören die auf das nationale Hauptquartier der Polizei im Juni, den nigerianischen Sitz der Vereinten Nationen ebenfalls in Abuja am 26. August mit 23 Toten sowie zuletzt zu Weihnachten mit mehreren Bombenzündungen in christlichen Stätten, die Dutzende Tote forderten.

Jonathan, selbst ein Christ aus dem Süden, hat den Islamisten nun faktisch den Krieg erklärt. Führer beider großer Religionsgruppen nutzten noch den letzten Tag des alten Jahres, um Frieden, Toleranz und Zurückhaltung anzumahnen. Christen und Muslime sollten bei den Bemühungen Seite an Seite stehen, forderte Frank Alabo Job, Leiter der katholischen Bischofskonferenz Nigerias. Auch die Führung der islamischen Dachvereinigung Jamatu Nasril Islam (JNI) betonte, daß sich Christen und Muslime gegen die Gewalt seitens Boko Haram und ähnlicher Gruppen verbünden müßten

* Aus: junge Welt, 3. Januar 2011


Zurück zur Nigeria-Seite

Zurück zur Homepage