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Sorge vor Gewaltspirale

Nigerias Präsident beruft Sicherheitstreffen ein *

Angesichts wachsender Sorgen vor einer Spirale der Gewalt in Nigeria nach den blutigen Anschlägen auf Christen hat Staatschef Jonathan die Chefs der Sicherheitsdienste seines Landes zu einem Treffen einberufen.

Nach den blutigen Anschlägen auf Christen während der Weihnachtstage wächst in Nigeria die Sorge vor einer Spirale der Gewalt. Staatspräsident Goodluck Jonathan berief am Donnerstagabend die Chefs der Sicherheitsdienste zu einem Krisentreffen ein. Die Vereinigung der Christen Nigerias drohte mit einer »angemessenen Antwort« auf weitere Gewalt.

Zu Weihnachten waren bei mehreren Anschlägen auf Christen in Nigeria mindestens 40 Personen getötet worden. Zu der Anschlagsserie bekannte sich die islamistische Sekte Boko Haram. Nigeria ist der bevölkerungsreichste Staat Afrikas. Der Norden des Landes ist mehrheitlich von Muslimen bewohnt, während im ölreichen Süden die Christen in der Mehrheit sind.

Seit den Anschlägen stieg die Angst vor einer Eskalation religiöser Gewalt in Nigeria merklich. Polizeichef Hafiz Ring sagte nach dem Krisentreffen mit Jonathan, Hunderte Mitglieder der Boko-Haram-Sekte seien festgenommen worden, wodurch weitere Anschläge verhindert wurden. Es müssten aber die Hintermänner der Taten gefasst werden. An der rund zweieinhalbstündigen Sitzung in der Hauptstadt Abuja hatten unter anderem der Polizeichef, der Chef der Geheimpolizei, der nationale Sicherheitsberater und der Chef des Generalstabs der Armee teilgenommen.

* Aus: neues deutschland, 31. Dezember 2011


Unheiliger Krieg

Von Martin Ling **

Der Ruf nach dem Heiligen Krieg in Nigeria wird lauter - von christlichen Gemeinschaften. Sie fühlen sich staatlicherseits zu wenig geschützt vor den Anschlägen der radikalislamischen Gruppe Boko Haram (Moderne Bildung ist Sünde), die ihrerseits einen Kampf der Kulturen propagiert. Dutzende Tote Weihnachten, 15 Verletzte am Mittwoch und die Ankündigung eines blutigen Neujahrsfestes sind Zeichen für eine Gewaltspirale, wie sie Nigeria aus der Vergangenheit kennt und wie sie die Zukunft des 160-Millionen-Landes einmal mehr infrage stellt.

Nigeria ist seit der kolonialen Grenzziehung ein Pulverfass, ethnisch und religiös tief gespalten. Ein Funke genügt, um das Land in Wallung zu bringen, zumal sich der weit ärmere muslimisch geprägte Norden ökonomisch vom christlich-animistisch geprägten Süden übervorteilt fühlt. Mehr denn je, seit mit Goodluck Jonathan ein Christ unplanmäßig den verstorbenen Muslim Umaru Yar'Adua an der Staatsspitze abgelöst hat. Nicht wenige mutmaßen, dass hinter Boko Haram der Jonathan bei den Wahlen unterlegene Ex-Diktator Muhammadu Buhari aus dem Norden steht. Solange die Hintermänner von Boko Haram nicht dingfest gemacht werden, droht Nigeria ein unheiliger Krieg.

** Aus: neues deutschland, 31. Dezember 2011 (Kommentar)


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