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Angriff auf Christen in Nigeria

Mindestens 19 Tote bei Überfall auf Kirche *

In Nigeria sind bei einem weiteren Angriff auf Christen mindestens 19 Menschen getötet worden. Unbekannte hätten am Montagabend eine Kirche bei Okene im zentralen nigerianischen Bundesstaat Kogi gestürmt und auf Gläubige bei einem Gottesdienst geschossen, berichtete die Nachrichtenagentur NAN. Als Täter werden islamistische Terroristen vermutet.

Der zuständige Militärkommandant der Region, Generalleutnant Gabriel Olorunyomi, erklärte, viele Menschen seien schwer verletzt worden. Daher könnte sich die Zahl der Toten noch erhöhen.

Unter den Opfern soll nach Medienberichten auch der Pastor der Pfingstkirche »Deeper Life Bible Church« sein. Nach Angaben der nigerianischen Zeitung »Daily Trust« kamen die Täter mit einem Auto, versperrten den Weg und feuerten um sich. Sie löschten das Licht in der Kirche und schossen auf die flüchtenden Gläubigen.

In Nigeria eskaliert die Gewalt. Anfang Juli waren bei Anschlägen auf Christen im Norden Nigerias mehr als 100 Menschen getötet worden. Die islamistische Terrorgruppe Boko Haram wird für Angriffe mit Hunderten von Toten in diesem Jahr verantwortlich gemacht. Etwa die Hälfte der 150 Millionen Nigerianer sind Muslime, die den Norden als ihr Stammland betrachten. Die Christen machen rund 40 Prozent der Bevölkerung aus und leben vorwiegend im Süden.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 8. August 2012


Instabiler Riesenstaat

Von Martin Ling **

Das offizielle Bekenntnis steht noch aus, doch die Zweifel gehen gegen null: Die radikalislamische Terrorgruppe Boko Haram (Westliche Bildung ist Sünde) hat in Nigeria erneut zugeschlagen. Überfall auf eine Kirche, Feuer, mindestens 19 tote Christen. Das entspricht dem Strickmuster der Boko Haram. Allein dass sich der Anschlag im Zentrum des Riesenstaates und nicht in ihrer Hochburg, dem Norden, ereignete, weicht vom bisher Üblichen ab.

Sicher ist: Die vor zehn Jahren vom 2009 ermordeten Mohammed Yusuf gegründete Terrorsekte ist so stark wie noch nie; die nach Yusufs Festnahme mit Todesfolge von der Regierung verkündeten Abgesänge sind längst widerlegt. Anschlag folgt auf Anschlag. Die Strategie der Regierung, mit dem Zuckerbrot Amnestie die Militanten zum Abschwören zu bewegen, hat offenkundig keine Breitenwirkung entfaltet.

Nigeria ist seit Jahren ein Pulverfass. Ein kleiner Funke kann genügen, um die Gefühle im ethnisch-religiös tief gespaltenen 150-Millionen-Land in Wallung zu bringen. Allein seit 1999, dem Ende der Diktatur, als meist Friedhofsruhe herrschte, kamen weit über 10 000 Menschen ums Leben. Immer wieder wurde die Frage aufgeworfen, ob dieser Staat seine kolonialgegebene territoriale Integrität bewahren kann oder überhaupt soll, was zum Beispiel der Schriftsteller Wole Soyinka bezweifelt.

Die Boko Haram hat freilich nichts gegen die Einheit Nigerias, sie soll allerdings radikalislamisch sein. Dieser Sprengsatz muss schnellstmöglich entschärft werden. Bei den Mitteln ist guter Rat teuer.

** Aus: neues deutschland, Mittwoch, 8. August 2012 (Kommentar)


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