Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

"Terror"jäger in Niger

Die Bundesrepublik wird sich voraussichtlich an einer Mission der EU beteiligen, die offiziell in Niger "Terrorismus" bekämpfen soll

Von Arnold Schölzel *

Die Bundesrepublik wird sich voraussichtlich an einer Mission der EU beteiligen, die offiziell in Niger »Terrorismus« bekämpfen soll. Das geht aus der Antwort des Auswärtigen Amtes auf eine Frage des Bundestagsabgeordneten Niema Movassat (Die Linke) hervor, die jW vorliegt. Danach wird die Beteiligung »mit sekundierten Experten geprüft«. Eine Beteiligung mit Polizeibeamten oder Soldaten sei zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorgesehen.

Hintergrund: Am 16. Juli beschloß der Rat der EU die Entsendung einer offiziell als zivil deklarierten 50köpfigen Expertenmission nach Niger. »Die zunehmende Aktivität von Terroristen und die Folgen des Konfliktes in Libyen haben die Unsicherheit im Sahel dramatisch erhöht«, erklärte die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton am selben Tag dazu in Brüssel. »Die neue Mission wird dazu beitragen, die lokalen Fähigkeiten zum Kampf gegen Terrorismus und organisiertes Verbrechen zu stärken.« Ab August sollen die Experten der EU im Niger die einheimischen Sicherheitsbehörden beraten und ihnen dabei helfen, »die Kontrolle ihres Territoriums und die regionale Zusammenarbeit zu verbessern«, sagte Ashton. Die auf zwei Jahre ausgelegte EU-Mission konzentriert sich zunächst auf den Niger, könne aber zu einem späteren Zeitpunkt auf Mali und Mauretanien ausgeweitet werden. Das Hauptquartier wird in Nigers Hauptstadt Niamey eingerichtet, mit Verbindungsbüros in Malis Hauptstadt Bamako und der mauretanischen Hauptstadt Nouakchott. Für das erste Jahr ist ein Budget von 8,7 Millionen Euro eingeplant.

In der Ausschreibung wird allerdings für die leitenden Posten explizit ein militärischer Rang gefordert, wie das Internetportal Telepolis am 16. Juli berichtete. Der offizielle Name der Mission lautet EUCAP Sahel Niger. In der Antwort des Auswärtigen Amtes heißt es: »Die Mission wird auch militärische Expertise beinhalten, um den Kontakt zu den nigrischen Streitkräften aufzubauen und diese zu beraten.«

Telepolis-Autor Christoph Marischka verwies darauf, daß die EU gleich drei Missionen in Afrika auf den Weg gebracht hat: Neben der für Niger auch eine für den Südsudan und eine für das »Horn von Afrika« in Somalia, Dschibuti, Kenia und den Seychellen. Sie seien dabei eingebettet in regionale Strategien des Staatsaufbaus und der bewußten Stärkung und Schwächung lokaler und regionaler Akteure, sie erinnerten »stark an frühere Strategien des europäischen Kolonialismus«. Die Konzeption für diese Art von Missionen werden ohne öffentliche Debatte und parlamentarische Kontrolle vom Politischen und Sicherheitspolitischen Komitee (PSC) der EU entwickelt.

Insbesondere Frankreich hat ein Interesse daran, daß es in Niger nicht zu Aufständen und unkontrollierten Regierungswechseln kommt. Das westafrikanische Land liefert einen hohen Anteil des Urans, das die französische Nuklearindustrie dringend benötigt. In Niger befindet sich die weltweit zweitgrößte Uranmine unter freiem Himmel. Bereits Anfang Juni empfing der neue Präsident Frankreichs, François Hol­lande, seinen nigrischen Amtskollegen, Mahamoudou Issoufou, in Paris. Außenminister Laurent Fabius sprach am 12. Juli offen davon, daß der Einsatz von Gewalt gegen islamistische Rebellen im Norden Malis »von einem Moment auf den nächsten« beginnen könnte. Laut Movassat kann sich die neue Mission »als stiller Einstieg in eine größere militärische Auseinandersetzung entpuppen«.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 25. Juli 2012


Zurück zur Niger-Seite

Zur Terrorismus-Seite

Zurück zur Homepage