Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

"Die Regierung bricht immer wieder ihre Zusagen"

Die Maori in Neuseeland kämpfen nach wie vor für ihre Rechte. Einiges hat sich schon verbessert. Gespräch mit Rangimoana Taylor


Rangimoana Taylor ist Maori und Kauma­tua (Gruppenältester) der Quartett­Theatre Company.

Sie sind mit Ihrer Theatergruppe zur Zeit auf Tournee durch Europa. In dem Stück »Mo and Jess kill Susie« thematisieren Sie gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Maori und der neuseeländischen Polizei. Haben sich tatsächlich solche Ereignisse in jüngerer Vergangenheit zugetragen?

Ja. In den 70er Jahren haben die Maori begonnen, gegen den an ihnen begangenen Landraub aufzubegehren, gegen die Diskriminierung und Unterdrückung ihrer Kultur. 1975 gab es eine erste Massendemonstration mit 20000 Teilnehmern, was für Neuseeland sehr viel ist. Weitere Demonstrationen folgten. Die Proteste fanden ihren Höhepunkt 1981 anläßlich des Besuchs einer Rugbymannschaft aus dem damaligen Rassistenstaat Südafrika.

Viele weiße Neuseeländer haben sich damals mit den Maori solidarisiert; es gab Straßenschlachten mit zahlreichen Verletzten und Verhafteten. Viele Maori-Polizisten quittierten daraufhin den Dienst, weil sie die eigenen Leute nicht zusammenschlagen und einsperren wollten. Wir haben damals damit gedroht, uns an die UN zu wenden, daraufhin hat die Regierung eingelenkt.

Sie ging also auf Ihre Volksgruppe zu?

Seitdem redet sie von Integration - tatsächlich will sie uns aber assimilieren. Es gibt auch heute noch Übergriffe und Versuche, uns einzuschüchtern. Zum Beispiel vor drei Jahren, als von der Polizei unter Berufung auf die Antiterrorgesetze eine Welle der Repression gegen alle politisch aktiven Maoris der Tuhoe-Nation losgetreten wurde. Es gab viele Hausdurchsuchungen - gefunden wurden aber nur Jagdwaffen. Diese Repression hatte dann wieder heftige Proteste zur Folge.

Die Maori haben sich schon im 19. Jahrhundert gegen die Landnahme durch Europäer heftig zur Wehr gesetzt. Wie leben sie heute?

Bis vor 30 Jahren war die Situation schlimm. Es galt ein Vertrag, der 1840 zwischen den Maori-Stämmen und der britischen Kolonialmacht geschlossen wurde. Der ist aber von den Briten und der neuseeländischen Regierung nie eingehalten worden. Offiziell hatten wir zwar dieselben Rechte wie die weißen Neuseeländer, aber keine Chancengleichheit. Das Schulsystem und die Ausbildung waren schlecht. Wir wurden überall benachteiligt. Es war unerwünscht, daß wir unsere Sprache sprachen; Kinder wurden in der Schule geschlagen, wenn sie es taten. Der Gemeinbesitz der Stämme wurde zwangsweise in Privatbesitz umgewandelt. Das hat viele Maori erbittert, es gab Proteste.

Hat sich daraufhin etwas geändert?

Vieles. Mitte der 90er Jahre entschuldigte sich die englische Queen für das begangene Unrecht und die kulturelle Unterdrückung. Das Schulsystem wurde geändert - wir haben inzwischen eigene Lehrer, Rechtsanwälte, Ingenieure. Bei Entwicklungsprojekten auf der Südinsel werden bevorzugt Maori eingestellt. Es wurden uns zahlreiche Ländereien, Wälder und Fischrechte zurückgegeben. Die sind jetzt wieder im Gemeinbesitz der Maori-Stämme. Die Wiedergutmachung umfaßt aber nur einen winzigen Teil dessen, was uns genommen wurde. Wir wollen unser Land zurück. Land ist für uns keine Immobilie, keine Ware, sondern die Grundlage unseres Lebens. Und es gibt natürlich noch immer heftige soziale Probleme; unser durchschnittlicher Lebensstandard ist deutlich niedriger als der der weißen Neuseeländer. Die Regierung bricht immer wieder bereits gemachte Zusagen. Wir kämpfen weiter.

Welche politischen Organisationen gibt es bei den Maori? Haben sie eine Stimme im neuseeländischen Parlament?

Die meisten Maori sind in den traditionellen Stammesstrukturen verankert und werden von den Stammesführern vertreten. Viele junge Leute, besonders Studenten, haben aber eigene politische Gruppen gebildet oder sind in politische Parteien der weißen Neuseeländer eingetreten. Es gibt auch eine Maori-Partei, die im neuseeländischen Parlament vertreten ist. Es existiert ein Gesetz, das den Maori mindestens 15 Abgeordnetensitze im Parlament zusichert. Diese Abgeordneten gehören verschiedenen Parteien an, sind sich bei Maori-Belangen aber immer einig. Ein großes Vertrauen in Politiker haben die meisten Maori aber nicht.

Interview: Gerd Bedszent

* Aus: junge Welt, 26. Oktober 2010

Lesen Sie auch:

Maori streben nach mehr Autonomie
Neuseelands Ureinwohner haben einen schweren Stand in der Politik - Wahlkongress steht bevor (9. April 2008)




Zurück zur Neuseeland-Seite

Zurück zur Homepage