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Leichter Aufschwung

Neuseeland hat sich von den Folgen der Weltwirtschaftskrise erholt. Dennoch sitzt Premier John Key nicht fest im Sattel

Von Thomas Berger *

Die Regierungen von Australien und Neuseeland haben bis zum Wochenende über ihre gemeinsame Wirtschaftsbeziehungen beraten. Zu diesen Gesprächen war Neuseelands Premier John Key am Donnerstag an der Spitze einer Delegation von Ministern und Wirtschaftsvertretern nach Sydney gekommen. Bei den Treffen, so berichteten Medien am Freitag, ging es unter anderem um eine Kampagne australischer Supermärkte, die unter dem Motto »Buy Australian« neuseeländische Produkte aus dem Sortiment genommen hatten.

Australien ist der wichtigste Handelspartner Neuseelands, das vorwiegend landwirtschaftliche Produkte anbietet. Beide Volkswirtschaften sind in überdies eng miteinander verzahnt. Es ist Keys dritte Reise seit 2009 über die Tasmanische See – allerdings traf er nun erstmalig auf den seit September regierenden konservativen australischen Premierminister Tony Abbott. Beide Männer eint nicht nur die ideologische Ausrichtung als Spitzenpolitiker der jeweiligen konservativen Lager. Auch in Sachen Privatisierungskurs herrscht zwischen ihnen klar Übereinstimmung.

Der Gast aus Wellington kommt aber mit besonderem Rückenwind, denn die vergangene Woche vorgelegte jüngste Arbeitsmarktstatistik wartet mit positiven Zahlen auf, wie sie Neuseeland seit Jahren nicht mehr gesehen hat. Im letzten Quartal 2013 ist die Arbeitslosigkeitsrate abermals gesunken und beträgt nun nur noch sechs Prozent. Das sind noch einmal 0,2 Prozentpunkte unter dem Wert vom September – und die niedrigste Quote seit Juni 2009. Zugleich stieg im vergangenen Jahr der Anteil jener Personen an der Gesamtbevölkerung, die in Beschäftigung sind, um 0,7 Punkte auf 68,9 Prozent.

Es sind insoweit grundsolide Zahlen, weil die weitere Belebung des Arbeitsmarktes nicht nur wenige Branchen erfaßt, sondern im Grunde flächendeckend wirksam ist und seit anderthalb Jahren anhält. Seit einer halben Dekade gab es nicht mehr so viele neue Jobs – für Männer und Frauen nahezu gleichermaßen, außerdem insbesondere für die oft benachteiligte Jugend. Auch die 20- bis 24jährigen, Einsteiger ins Berufsleben, finden jetzt in der Regel gleich im Anschluß ihrer Ausbildung eine Anstellung.

Allein im zurückliegenden Jahr haben etliche Wirtschaftsbereiche bei der Schaffung neuer Arbeitsplätze zwischen sechs und über acht Prozent zulegen können. 14800 Stellen mehr (8,6 Prozent) gab es im Bausektor, jeweils um sechs Prozent legten produzierendes Gewerbe und der Einzelhandel einschließlich des Hotel- und Gastgewerbes zu. Das entspricht in absoluten Zahlen 14300 bzw. 20700 zusätzlichen Jobs. Auch der Bereich Soziales und Gesundheit hat 16600 Menschen neu in Arbeit gebracht, ein Anstieg um 7,1 Prozent. Und allein im vergangenen Quartal hat der landwirtschaftliche Bereich mit einem Plus von 11000 Stellen aufwarten können.

Viele davon sind Vollzeitjobs, aber keineswegs alle. Die Zahl der Teilzeitstellen nahm um 27200 auf nunmehr 122600 zu, und keineswegs alle der Betroffenen arbeiten freiwillig reduziert. Zudem hat sich der Beschäftigtenzuwachs in mancher Branche nicht auch in Form von höheren Löhnen bemerkbar gemacht, wie die Statistiker konstatieren.

So positiv die Zahlen sich lesen – man muß sie ins richtige Verhältnis setzen. Denn im Grunde besagen sie nichts anderes, als daß Neuseeland sich nunmehr auch auf dem Beschäftigungssektor von den Folgen der globalen Wirtschaftskrise 2008 erholt hat. Als John Key vor sechs Jahren sein Amt antrat, übernahm er eine Arbeitslosenquote, die unterhalb der Fünf-Prozent-Marke lag. Mittlerweile hat er sich diesem Stand wieder angenähert. Im bevorstehenden Wahlkampf wird er versuchen, die hohe Beschäftigung als Erfolg seiner Regierung zu verkaufen. Dabei profitiert Neuseeland lediglich vom Aufschwung nach der Krise.

Und seine Landsleute, so besagen die Umfragewerte, sind der konservativen Vorherrschaft nach zwei Regierungszeiten vermehrt überdrüssig – und halten wenig vom Kurs ihres Premiers, mit Privatisierungen angeblich noch 2014/15 die Staatskasse entlasten zu wollen. Während der australische Gastgeber Abbott vorerst sicher im Sattel sitzt, kann sein Besucher Key das kaum von sich behaupten.

* Aus: junge welt, Montag, 10. Februar 2014


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