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Im Zeichen des Wandels

"Tag der Demokratie" in Nepal. Maoisten appellieren an König Gyanendra: Entscheidung des Volkes akzeptieren

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Im Gedenken an die Opfer des Volksaufstandes vor genau zwei Jahren hatte Nepals Interimsregierung den Mittwoch zum offiziellen Feiertag erklärt, zum »Loktantra Diwas«, dem Tag der Demokratie. Überall im Land fanden Veranstaltungen statt, auf denen die Bevölkerung an die Erhebung im Frühjahr 2006 erinnerte, mit der das Ende der Monarchie eingeleitet wurde. Über zwei Dutzend Demonstranten wurden damals von der Polizei des Regimes erschossen und Hunderte verletzt. Erstmals hatten bei dieser Widerstandsaktion die maoistischen Rebellen und die Anhänger der Allianz der politischen Parteien zusammengearbeitet. Diese Kooperation legte den Grundstein für die Entmachtung von König Gyanendra, für das Friedensabkommen im November 2006 und das Ende des bewaffneten Kampfes der Maoisten gegen das Feudalregime.

Diese Kooperation ebnete auch den Weg für die Wahlen am 10. April zur ersten verfassunggebenden Versammlung Nepals, die zu einem Triumph für die KPN (Maoistisch) wurde. Das offizielle Resultat weist aus, daß die Partei 120 der 240 Direktmandate gewann. Es folgen die Partei Nepali Congress (NC) mit 37 und die KPN (Vereinte Marxisten und Leninisten) mit 33 Abgeordnetensitzen.

Das Ergebnis der Auszählung der Stimmen, die unter der sogenannten proportionalen Vertretung gewertet werden, soll am heutigen Donnerstag vorliegen. Auch hier führten die Maoisten am Mittwoch mit 3047 Millionen (das sind knapp 30 Prozent), vor dem NC mit 2168 Millionen und der KPN(VML) mit 2088 Millionen Stimmen. Diese werden nach einem Schlüssel in weitere 335 Abgeordnetensitze umgewandelt. Man erwartet, daß die Maoisten nochmals etwas über 100 Mandate erhalten werden. Die Partei entscheidet dann, wen sie in den Verfassungskonvent delegiert. Fest steht bereits jetzt, daß die KPN (M) als stärkste Einzelpartei die Bildung einer Koalitionsregierung vornehmen wird.

Maoistenchef Pushpa Kamal Dahal Prachanda wirbt weiter dafür, möglichst alle in der Versammlung vertretenen Parteien mit in die Regierungsverantwortung zu nehmen. Das gilt auch für die bei den Wahlen bemerkenswert erfolgreichen Repräsentanten der südlichen Terai-Region. Prachanda teilte mit, die Partei habe über indirekte Kanäle an König Gyanendra appelliert, er solle das Urteil des Volkes akzeptieren und »durch Räumen des Palastes einen friedlichen Übergang zur Republik gewährleisten«. Der Monarch reagierte darauf bislang nicht, ließ aber vehement Berichte dementieren, er habe die Absicht, ins Exil nach Indien zu gehen. Bereits vor ein paar Tagen hatte sich der Parteichef für einen »würdevollen Abgang« des Herrschers ausgesprochen.

Die US-Botschafterin in Kathmandu, Nancy J. Powell, deutete unterdessen laut Pressemeldungen an, die Maoisten könnten von Washingtons »Liste ausländischer Terroristen« gestrichen werden, auf die sie im Jahre 2003 gesetzt worden waren. Dazu, so Powell, bedürfe es lediglich noch einiger »technischer Einzelheiten«. Der stellvertretende Sprecher des Weißen Hauses in Washington, Tom Casey, verwies hingegen auf den »unveränderten Status« der maoistischen Organisation. Deren Wahlsieg könnte allerdings zu einer Überprüfung der legalen Position« führen.

* Aus: junge Welt, 24. April 2008


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