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Vage Absichten

Nepals vier Hauptparteien für Neuwahl der verfassunggebenden Versammlung

Von Hilmar König *

In Nepal könnte sich der seit Monaten festgefahrene politische Karren wieder in Bewegung setzen. In der vergangenen Woche einigten sich die vier wichtigsten Parteien des Himalayastaates – die Vereinte KP Nepals (Maoistisch) und die Vereinte Demokratische Madhesi-Front auf Regierungsseite sowie im oppositionellen Lager die KPN (Vereinte Marxisten-Leninisten) und der bürgerliche Nepali Congress – darauf, im nächsten Jahr eine neue verfassunggebende Versammlung zu wählen. Diese würde dann wie die im Mai aufgelöste als provisorisches Parlament fungieren. Ihre Hauptaufgabe wäre, nach vierjähriger Verzögerung endlich ein neues Grundgesetz zu verabschieden.

Allerdings würde die neue Volksvertretung eine schwere Erblast übernehmen. Bislang scheiterten alle Versuche, einen gemeinsamen Nenner für die künftige administrative Struktur der Bundesrepublik Nepal zu finden. Die Parteien konnten sich nicht einmal darüber verständigen, aus wie vielen Bundesstaaten das Land bestehen, wie diese heißen und wie ihre Grenzen verlaufen sollten. »Wir waren nicht in der Lage, strittige Verfassungsfragen zu klären, « räumte der Chef der Vereinten Marxisten-Leninisten, Jhala Nath Khanal, ein.

Vor den Neuwahlen soll eine Regierung des nationalen Konsens gebildet werden. Doch auch dieses Projekt steht seit langem auf dem Papier, wurde jedoch nie umgesetzt. Die Meinungen über die Zusammensetzung eines solchen Einheitskabinetts gehen weit auseinander. Doch Finanzminister Barshaman Pun von den Maoisten beeilte sich zu versichern: »Es wird ein Umfeld geschaffen, um die von Premier Baburam Bhattarai geführte Koalitionsregierung in eine nationale Konsensregierung zu überführen.« Doch schon am Samstag schränkte sein Parteisprecher Agni Sapkota die Kompromißbereitschaft ein: »Wenn wir dem Nepali Congress erlauben, den Premier zu stellen, entsteht ein politisches Ungleichgewicht, weil der Staatspräsident ebenfalls dieser Partei angehört.« Der Nepali Congress konterte, unter Bhattarai sei es unmöglich, ordentliche Neuwahlen durchzuführen, er müsse zurücktreten. Das fordern auch die Vereinten Marxisten-Leninisten. Sie schlugen zudem vor, die Abstimmung über die verfassunggebende Versammlung zwischen Mitte April und Mitte Mai 2013 zusammen mit Kommunalwahlen durchzuführen, die es zuletzt vor zehn Jahren gab.

Hintergrund des Streits um den künftigen Regierungschef ist, daß unter dessen Regie die Wahlen vorbereitet werden.. Alle Parteien gehen davon aus, daß er alle staatlichen Mittel nutzen wird, um seiner Partei beim Wahlgang Vorteile zu verschaffen. Deshalb ließ am Wochenende auch die im Juni von der Mutterpartei abgespaltene KPN-Maoistisch unter Führung von Mohan Baidya Kiran aufhorchen. Sie verhandelt mit dem NC über einen gemeinsamen Kurs und will an der Konsensregierung beteiligt werden. Das Monopol der vier Hauptparteien müsse gebrochen werden. Premier Bhattarai solle durch verstärkte Straßenproteste zum Rücktritt gezwungen werden. Der NC zeigte sich nicht abgeneigt, könnte er so doch im Bunde mit den Vereinten Marxisten-Leninisten den Druck auf die bestehende Regierungskoalition spürbar erhöhen.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 25. September 2012


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