Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Tauziehen um Posten

Seit Wochen keine Einigung über Interimsregierung und Wahldatum in Nepal

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Seit über einer Woche treffen sich die Führer der acht politischen Parteien Nepals nahezu täglich, um endlich die neue Interimsregierung auf die Beine zu bringen, ein gemeinsames politisches Minimalprogramm zu verabschieden und ein Datum für die Wahlen zur verfassunggebenden Versammlung festzulegen. Das »Ergebnis« jedes Treffens hieß bislang stets: keine Einigung, kein Wahldatum, weitere Beratungen folgen.

Auch wenn die Parteiführer mit Einzelheiten über die Schwierigkeiten geizen, ist inzwischen durchgesickert, daß das Hauptproblem wohl die Verteilung der Ministerposten ist. Wer erhält das Amt des Vizepremiers und welche Partei die Schlüsselressorts Inneres, Finanzen und Verteidigung? Darum wird offensichtlich erbittert gerungen. Pushpa Kamal Dahal Prachanda, der Chef der KP Nepals (Maoistisch), ließ immerhin soviel durchblicken: »Eine einzelne Partei kann nicht die exklusive Kontrolle über die Interimsregierung ausüben.« Keine Frage, damit ist die größte politische Partei Nepali Congress gemeint, der auch der gegenwärtige Premier Girija Prasad Koirala angehört.

Das anhaltende Tauziehen beunruhigt nicht nur die Öffentlichkeit, sondern läßt auch die für Mitte Juni in Aussicht genommenen Wahlen fraglich erscheinen. Diesen Termin hält Chefwahlkommissar Bhoj Raj Pokherel bereits für ziemlich illusorisch, zumal die öffentliche Sicherheit im Land nicht gewährleistet ist. In die seit Monaten von Protesten erschütterte Terai-Region zieht einfach keine Ruhe ein. Gibt es in dieser Hinsicht nicht umgehend eine spürbare Wende, dann kann auch kein freies und faires Votum stattfinden. Beim Treffen des Ministerrates am Dienstag in Kathmandu versicherte Premier Koirala, er und Innenminister Krishna Prasad Sitaula würden persönlich diese Aufgabe in Angriff nehmen. Beide stehen schwer unter Druck. Madhav Kumar Nepal, der Generalsekretär der KP Nepals (Vereinte Marxisten und Leninisten), erklärte in der Zeitung The Himalayan Times, wenn der Regierungschef weder Sicherheit und Ordnung noch die pünktliche Durchführung der Wahlen garantieren kann, dann müsse er zurücktreten.

Innenminister Sitaula sieht sich hingegen im Zentrum der Kritik von 70 Organisationen aus der Geschäftswelt. Diese riefen am Montag wegen der katastrophalen Sicherheitslage einen »unbefristeten Generalstreik« aus. Dem waren am Dienstag Finanzinstitutionen, Internet-Dienstleister, Airlines, Privatschulen, Industriebetriebe und Märkte im Kathmandutal gefolgt. Premier Koirala forderte die Streikenden zu Verhandlungen auf. Diese begründeten ihre drastische Maßnahme mit von den Maoisten verübten »Exzessen«. Allein in einer Woche sollen Angehörige der maoistischen Jugendliga viermal Geschäftsleute entführt haben, nachdem diese sich geweigert hatten, Spenden in Millionenhöhe zu zahlen. Die Streikenden werfen den ehemaligen Rebellen Kidnapping, Erpressen von Schutzgeldern, Gewalt sowie illegale Besetzung von Privateigentum vor. Dem sollte Innenminister Sitaula energisch den Kampf ansagen. Krishna Bahadur Mahara, Sprecher der maoistischen Fraktion im Interimsparlament, verwahrte sich dagegen, daß die KPN(M) in diese Kontroverse hineingezogen wird. Er nannte den jüngsten Fall der Entführung eines Hotelbesitzers einen persönlichen Konflikt zwischen diesem und seinen Angestellten.

* Aus: junge Welt, 21. März 2007


Zurück zur "Nepal"-Seite

Zurück zur Homepage